Kohl bei der Stasi

Jahrzehntelang hat der DDR-Geheimdienst den Altkanzler abgehört. Kohl will die Veröffentlichung der Telefon-Protokolle verhindern

HAMBURG dpa ■ Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) will die Veröffentlichung ihn betreffender Telefon-Abhörprotokolle der Stasi mit allen juristischen Mitteln verhindern. Wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner neuen Ausgabe berichtet, hat Kohl seine Anwälte in der vergangenen Woche damit beauftragt. Staatsrechtler prüfen zu lassen, ob das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angerufen werden kann. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Staatssicherheitsdienst der DDR seit rund zwnazig Jahren vom illegalen Finanzgebaren der CDU wusste.

Kohl sprach sich in einem Interview dafür aus, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe generell über die Verwendung von Abhörprotokollen des ehemaligen DDR-Staatssicherheitsdienstes in juristischen und öffentlichen Auseinandersetzungen entscheiden zu lassen. Der Altkanzler sagte dem privaten Berliner Rundfunksender Hundert,6, mit verbrecherischen Mitteln habe der Staatssicherheitsdienst die Intimsphäre ausgespäht. Die damalige DDR sei ein Verbrecherregime gewesen. Er halte es für inakzeptabel, nun aus Protokollen von solchen Telefonaten zu zitieren.

Kohl stand nach einem Bericht der Welt am Sonntag bereits seit seinem 20. Lebensjahr unter Beobachtung der Stasi. Sie habe Gespräche über politische Aktivitäten, Personal-Entscheidungen, Fragen der Parteifinanzierung oder auch über private Angelegenheiten Kohls abgehört. Die Protokolle seien auch für gezielte Kampagnen genutzt worden. Das Blatt berief sich auf Geheimpapiere der Stasi, nach denen das Ministerium für Staatssicherheit eine „Handakte Kohl“ mit brisantem Material über den CDU-Politiker angelegt hatte, die noch existieren soll.

Die Gauck-Behörde räumte unterdessen einen Fehler bei der Weitergabe von Stasi-Unterlagen über den früheren CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep ein. Der Sprecher der Gauck-Behörde, Johann Legner, bestätigte am Samstag auf Anfrage entsprechende Berichte der Nachrichtenmagazine Focus und Spiegel.

Das von der Behörde an Journalisten herausgegebene Dossier zu Kiep umfasste nach Angaben von Legner insgesamt mehr als 1.000 Seiten, darunter 300 Seiten Material aus der Telefon-Überwachung. Nach den Worten Legners wurde übersehen, dass darunter auch die achtseitigen Abschriften von zwei abgehörten Telefonaten „privater Natur“ waren.

Nach Spiegel-Informationen lagern in der Gauck-Behörde noch riesige Mengen abgehörter Telefonate westdeutscher Politiker und Prominenter. Allein im Berliner Zentralarchiv umfasse der Bestand 170 Regalmeter. In rund 50.000 der Protokolle habe noch nie ein Archivar hineingesehen.