Im Zeichen der Schnecke

Karens KochKunst – die Serie der taz hamburg für GenießerInnen. Teil 40: Sinnlich und gemütlich essen: Slow Food-Bewegung  ■ Von Karen Schulz

Genießen ist eine Kunst, die leider gerade im kulinarischen Bereich nicht mehr ausreichend gepflegt wird: stattdessen expandierende Fast-Food-Ketten und Supermarktregale voller Conveni-ence-Lebensmittel. Dabei ist Fast Food wohl nur Symptom des heutigen Lebens, in dem Hektik zum guten Ton gehört. Dieser „universellen Bedrohung“ durch das „Fast Life“ will die internationale Bewegung Slow Food im Zeichen der Schnecke Sinnlichkeit, Genuss, Lebensfreude und Gemütlichkeit entgegen setzen.

Slow Food wurde 1986 in Italien gegründet, als aus Protest gegen die Eröffnung einer McDonalds-Filiale in Rom auf der Straße davor genussvoll getafelt wurde. Heute ist die Bewegung in mehr als 35 Ländern mit über 60.000 Mitgliedern aktiv. Die Organisation findet vorwiegend auf regionaler Ebene statt, die Mitglieder treffen sich in so genannten Convivien, von denen eines seit Ende 1996 auch in Hamburg existiert. Diese Organisationsform ist sinnvoll, geht es doch um gemeinsam genossene Mahle, um Seminare zur Schulung des Geschmacks und um die Betonung der jeweiligen regionalen Küche mit ihren Spezialitäten.

Letzteres hat zur „Arche des Geschmacks“ geführt, einer Liste derjenigen regionalen Besonderheiten, die quasi vom Aussterben bedroht sind, also aus unterschiedlichsten Gründen nur noch selten angeboten werden. In der Hamburger Arche ist der erste Eintrag - wenig verwunderlich - ein Apfel, der aromatische Finkenwerder Herbstprinz. Auf der Homepage findet man Bezugsadressen dafür, ebenso für die weiteren Raritäten wie Kochbirnen, Türk'sche Erbsen (eine in Vierlanden angebaute Bohnensorte), Räucherfisch aus traditionellen Altonaer Öfen und die Magenwurst. Letztere ist auf besonderes Betreiben des Vorsitzenden des Hamburger Conviviums, Dr. Burchard Bösche, aufgenommen worden: eine kaum noch bekannte Spezialität aus seinem Heimatort in Niedersachsen.

Slow Food ist zwar in erster Linie ein Zusammenschluss von Genussmenschen, doch hat die Arbeit dieser Bewegung auch politische Tragweite: Mit dem Bemühen um den Erhalt von qualitativ hochwertigen Rohstoffen, alten Gemüse- und Obstsorten sowie Tierrassen und traditionellen Herstellungsmethoden wehrt man sich gegen den Einheitsgeschmack, der von Nahrungsmittelkonzernen produziert wird. Für Burchard Bösche ist auch ein unmittelbareres Eingreifen und Protestieren gegen Gesetze, die kleinen Unternehmen die Produktion mit unsinnigen Auflagen erschweren, denkbar.

Im Mai steht mit dem 3. Nord-deutschen Käsemarkt, der mit dem Freilichtmuseum am Kiekeberg veranstaltet wird, ein regionales Minifestival an: Neben exquisiten Käsesorten von der „Käsestraße Schleswig-Holstein“ (ebenfalls eine Slow Food-Aktivität), findet man hier weitere Spezialitäten der Region von Likör bis hin zu Spargel. Auch die monatlichen Veranstaltungen wie ein Besuch auf dem Großmarkt, Wein- und Bierdegus-tationen oder gemeinsames Spargelessen sind meist für Nicht-Mitglieder offen - und ein Genuss.

Infos dazu unter www.slowfood-hamburg.de oder bei Dr. Burchard Bösche, Basselweg 43, 22527 Hamburg, T. 540 41 35. Slow Food Deutschland: www.slowfood.de .