Buff hat's nicht gemacht

■ Die Company Speakeasy jagt eine virtuelle Frau mit rotem Mantel durch den Domshof-Bunker

„Mist.“ Hihi, der Kollege von Radio Bremen hat mal wieder sein Aufnahmegerät vergessen. Machte aber nichts. Denn in „Safe“ fällt kein einziger Satz. Auch kein zeitgeistiges Rülpsen oder anmutiges Gurgeln. Musik – Dur, Moll, Groove, beat it? Ach, wo denken Sie hin. Das sanfte Schnurren der Kühlventilatoren von circa fünfzehn Diaprojektoren ist so ziemlich das einzige akustische Zeugnis, das gewillt ist, die gierigen Synapsen des Zuschauers zu sättigen. Diese fünfzehn Diaprojektoren, circa, fungieren als Hauptdarsteller, Bühnenbild, Kostüm, Requisiten, Beleuchter, alles. Unter Personalkos-ten-Aspekt einfach suuuper. „Safe“ ist also kein Theaterstück, sondern eine so genannte „Produktion“; Produzent ist die „internationale, experimentelle Theater Company Speakeasy“, die schon im letzten Jahr an ungewöhnlichem Ort abenteuerte und das Bremer Landgericht bespielte.

Stellt sich die Frage, was heißt experimentell? In Erinnerung an frühkindliche Erfahrungen mit dem Chemiebaukasten des großen Bruders könnte man meinen, ein Experiment ist das Zusammenkippen möglichst vieler ekliger Flüssigkeiten und putziger Pülverchen – und dann macht es Buff, kokelt, stinkt, und irgendwer schimpft ganz hässlich. Welch ein Irrtum. Ein echtes Experiment wäre zum Beispiel das Fasten. Da setzt man sich systematischer Unterzuckerung aus, was eine Schärfung der Sinne bewirkt – und irgendwann wird man heilig. „Safe“ ist ästhetisches Fasten. Vorbild könnten die schwarzen Quadrate von Kasimir Malewitsch sein.

Es werden zwei circa 100 Meter lange tunnelartige Räume bespielt, und die maximal 25 Zuschauer schlurfen immer da hin, wo ein delikates „Klack“ eines Projektors einen Bildwechsel vermuten lässt.

Genau zwei Motive durchkreuzen das tiefe Schwarz des Atombunkers: Eine Frau im roten Mantel sitzt auf einer Parkbank in den Wallanlagen. Dann kauert sie mit schreckensgeweiteten Augen in irgendeiner Ödnis. Aha, Frau, Park, Opfer, klarer Fall, ein Vergewaltigungsopfer, denkt man sich und ärgert sich schwarz, dass dieses Stück so dusslige, triviale, ja, reaktionäre Deutungsmuster in uns antippt.

Am Schluss ist sogar echte schauspielerische action geboten: Eine gespensterhaft geschminkte nackte Frau geht durch das locker verstreute Publikum. Wie schon Nam June Paiks nackte Cellospielerin auf einer Documenta berührt Nacktheit in ungewöhnlichem Kontext noch immer. Zumal man die hiesige Nackte eher ahnt, als dass man sie sieht. In dieser Szene geht die Sache mit dem Andeuten und Entziehen wunderbar auf.

Ansonsten aber erinnert die penetrante Sparsamkeit dieser Produktion weniger an buddhistische Größe als an urdeutsche Knausrigkeit. Und 35 Minuten Spielzeit sind einfach zu wenig für ein Einstimmen in die Abgeschottetheit dieses Raums. Am meisten zu denken gab noch das vor Urzeiten an die Wand gepinselte Wörtchen „Dekontamination“ über einem simplen Gulli und der wunderbare Publikumswink „Eingang am Klohäuschen“. Das Schlendern in dunkles Nichts hinein zwischen den unidentifizierbaren Silhouetten der anderen BesucherInnen hat aber durchaus was.

bk

Di, Mi, Do: 19 h, 21 h, am Wochenende 17 h, 19 h, 21 h. Eintritt 15 Mark