Macht hoch die Tür, die Tor macht weit

■ Spontan-Kontrollbesuch verweigert: Sozialhilfe wurde gesperrt

Susanne Schulte* ist vom Sozialamt einiges gewöhnt. Seit sie im letzten Jahr einem neuen Sachbearbeiter zugeteilt wurde, muss sie jeden Monat persönlich im Amt für soziale Dienste vorsprechen. Im Dezember wurde die ehemalige Postbotin verpflichtet, jeden Monat zwanzig Bewerbungen vorzulegen. Dagegen hat sie zwar Widerspruch eingelegt, aber dennoch präsentiert die 30-Jährige regelmäßig Bewerbungsschreiben für alle Stellen, die sie mit ihrem Rückenleiden und ohne Ausbildung ausüben kann: Bürojobs, Telefondienst, Boten- und Rezeptionstätigkeiten. „Ich will ja selbst wieder arbeiten“, sagt die Gröpelingerin, deren Stelle von der Post wegrationalisiert wurde.

Umso überraschter war Susanne Schulte vor einer Woche bei ihrem jüngsten Termin mit ihrem Sachbearbeiter. Der nahm seinen Schlüssel in die Hand und sagte: „Heute interessiere ich mich nicht für Ihre Bewerbungen, heute gehen wir zu Ihnen nach Hause.“ Dort wollte er prüfen, ob die junge Frau tatsächlich wie angegeben in einer Wohngemeinschaft lebt oder in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit einem Partner, der demnach unterhaltspflichtig wäre. Zu einem solchen unangemeldeten Besuch war die Sozialhilfe-Empfängerin nicht bereit. Die Wohnung sei unaufgeräumt und sie wolle die Privatsphäre ihres Mitbewohners nicht verletzen, argumentierte sie. Daraufhin wurden ihr prompt sämtliche Leis-tungen gesperrt.

„Formal korrekt“, heißt es aus dem Büro der Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD), bei der die Betroffene sich beschwert hatte. „Mit vorheriger Anmeldung wäre ein Besuch nicht zweckmäßig, weil die Wohnung entsprechend hergerichtet werden könnte. Das Ansinnen eines unangemeldeten Besuchs ist auch mehrfach gerichtlich bestätigt worden,“ sagt Adolfs Mitarbeiter Jörg Henschen.

Gitta Barufke von der AGAB-Arbeitslosenberatung ist da nicht so sicher: „In dem halben Jahr seit Angabe der Daten über die Wohngemeinschaft ist ein halbes Jahr vergangen, ohne dass der Sachbearbeiter Verdachtsmomente geäußert hat. Da erscheint ein unvermittelter Hausbesuch nicht verhältnismäßig. Erst mal hätte die Betroffene Gelegenheit bekommen müssen, sich zu äußern.“

Die hat dem Sozialamt inzwischen brieflich ihre Bereitschaft zu einem Hausbesuch mitgeteilt – nur nicht durch ihren Sachbearbeiter, von dem sie sich schikaniert fühlt. Durch einen Anwalt ließ sie das Amt außerdem Details über ihre Wohngemeinschaft wissen. Bislang blieben diese Schritte jedoch ohne Erfolg: Bis gestern Mittag war auf dem Konto von Susanne Schulte keine Sozialhilfe eingegangen. Heute will die selbstbewusste Frau daher eine einstweilige Verfügung beim Sozialgericht erwirken.

not

*Name geändert