Gewerkschafter heben in Schönefeld ab

ÖTV legt Alternativen zum Ausbau des Airports vor. Finanzierung soll durch Private und mit Beteiligung der öffentlichen Hand erfolgen

Die öffentliche Hand soll beim Bau des Großflughafens Schönefeld wieder „mitfliegen“. Eine Woche vor der Aufsichtsratssitzung der Gesellschafter Berlin, Brandenburg und dem Bund, auf der über Grundstückskäufe und die Privatisierung des Airports beraten wird, hat gestern die ÖTV Berlin ein neues Finanzierungskonzept zum Ausbau des Flughafens vorgelegt. Kern des Gutachtens, das von dem Berliner Beratungsunternehmen ISA Consult GmbH erarbeitet wurde, ist ein Holding-Modell, in dem die öffentliche Hand mit 25,1 bis maximal 50 Prozent sowie private Investoren am neuen Flughafen beteiligt sind.

Zugleich beinhaltet der Vorschlag einen Börsengang der Flughafenbetreiber, um durch Geschäftsanteile Aktienkapital zu akquirieren. Das Konzept einer völligen Privatisierung, wie sie von den Gesellschaftern bislang angestrebt wird, lehnt das Papier ab. In einer ersten Reaktion bewertete die Flughafenplanungsgesellschaft PPS das Gutachten positiv.

Die „Alternative zur vollständigen Privatisierung“, sagte Werner Ruhnke, ÖTV-Chef in Brandenburg, sei deshalb sinnvoll, da nach dem gescheiterten Privatisierungsverfahren der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF) mit dem Hochtief-Konsortium „Konsequenzen gezogen werden müssen“. Zwar verhandle die BBF derzeit noch mit dem zweiten Bieter, der Bonner IVG, so Ruhnke. Dennoch sei weder ein Abschluss in Sicht noch der Termin für die Eröffnung Schönefelds 2007 garantiert. „Weitere Verzögerungen sind nicht mehr zu korrigieren“, sagte Ruhnke gestern. Hinzu kämen die Arbeitsplatzrisiken der Arbeitnehmer bei einer 100-prozentigen Übernahme durch private Investoren.

Das Gutachten, erklärte gestern der ISA-Berater Hubertus Sievers, komme zu dem Resultat, dass aufgrund des hohen Investitionsbedarfs privater Betreiber bei gleichzeitig schwieriger öffentlicher Haushaltslage eine Teilprivatisierung neben der Betreibung durch die öffentliche Hand der „erfolgreichere Weg sein wird“. Zudem behalte die öffentliche Hand „den politisch sinnvollen Einfluss auf die langfristige Entwicklung und die Sicherheit des Flugverkehrs“.

Ein Börsengang verspreche für private Anleger Renditen, weil für den Airport „expansive Zuwachsraten zu erwarten sind“. Der Gutachter rechnet schon bei 15 bis 19 Millionen Fluggästen pro Jahr mit Überschüssen. Für einen „Single-Airport“ Schönefeld werden Fluggastzahlen von 20 bis 30 Millionen erwartet.

Als „Einlage“ der öffentlichen Hand, so Sievers weiter, soll der Flughafen Schönefeld in die Holding eingebracht werden. Damit sinke die faktische Belastung von Bund, Berlin und Brandenburg je nach Bewertung des Flughafens. Durch die Vergabe von Konzessionen und Dienstleistungsverträgen – vorrangig im Nicht-Flug-Bereich wie Hotels, Restaurants, Büros und Läden – könnten im laufenden Betrieb Gewinne erreicht werden, die auch den Landeshaushalten zugute kämen. Sievers: „In- und ausländische Erfahrungen zeigen, dass eine solche Lösung klare Vorteile gegenüber dem jetzigen Privatisierungskonzept mit einer 100-prozentigen Renditegarantie hat.“ Sievers führte als erfolgreiche Teilprivatisierungsmodelle die Flughäfen Düsseldorf und Wien an, wo Investoren und die Länder sich gemeinsam „und erfolgreich“ beteiligen.

Die Geschäftsführung der Projekt Planungsgesellschaft (PPS), die im Auftrag der BBF das Privatisierungsverfahren für Schönefeld durchführt, zeigte sich offen für Alternativvorschläge. „In dem Verfahren ist alles denkbar, auch Verhandlungen mit 74,9 Prozent Anteile von privaten Investoren“, sagte PPS-Sprecher Burkhard Kieker gestern zur taz. Das Gutachten werde geprüft, „kein Modell wird ausgeschlossen“. ROLF LAUTENSCHLÄGER