Der unschuldige Reißwolf

Berlins Innensenator Werthebach (CDU) bestreitet Vernichtung von Stasi-Akten

BERLIN taz ■ Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) gab sich gestern völlig unschuldig: Weder er noch Mitarbeiter unter seiner Verantwortung hätten Stasi-Abhörprotokolle, die westdeutsche Politiker belasteten, im Prozess der deutschen Einheit 1990 verändert oder vernichtet.

„Auf meine Veranlassung sind keine Stasi-Unterlagen vernichtet, verändert oder zerfleddert worden“, sagte Werthebach. Er betonte, er sei zu der betreffenden Zeit nicht Chef des Bundesamtes für Verfassungschutz gewesen und habe solche Akten auch nicht in der Hand gehabt. Erst nachher, als Chef des Amtes ab 1991, sei er mit solchen Protokollen befasst gewesen.

Der Innensenator betonte jedoch, im Frühjahr 1990 habe sich das Bundeskabinett mit Stasi-Akten beschäftigt, die in die Presse gelangt sind. Es habe darauf den Beschluss gefasst, dass alle in Besitz der Bundesbehörden gelangten Materialien über bespitzelte Bundesbürger „sofort und ohne einen Blick“ vernichtet werden sollten. Dies sei geschehen. Zudem habe die Länderinnenministerkonferenz diesen Beschluss auch für die Bundesländer übernommen.

Es ist nicht das erste Mal, dass der ehemalige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz in den Verdacht parteipolitischer Liebedienerei zugunsten der bürgerlichen Parteien und leichter Hand beim Füttern von Reißwölfen gerät. Bei der so genannten Fuchs-Weichert-Affäre überließ der damals parteilose Verfassungsschutzchef einer brandenburgischen FDP-Politikerin Akten seines Amtes über einen Grünen-Politiker. Die Papiere sollten den Bündnisgrünen diskreditieren, um dessen Bewerbung als Datenschutzbeauftragter zu hintertreiben.

Auch bei der versuchten Besetzung des israelischen Generalkonsulats durch aufgebrachte Kurden vor gut einem Jahr machte Werthebach eine unglückliche Figur. Dabei hatten israelische Sicherheitsleute vier Kurden erschossen. In Werthebachs Verantwortungsbereich lag die Vernichtung eines brisanten Vermerkes, der das Versagen des Innensenators in der Sicherheitsvorsorge vor dem Blutbad belegte. Das war die so genannte Reißwolf-Affäre.

Seit Tagen sorgt zudem die Beschäftigung ehemaliger Stasi-Informanten beim Berliner Verfassungsschutz für Streit in der Hauptstadt. Bis Juni vergangenen Jahres haben Ex-Stasi-Mitarbeiter für das Landesamt gearbeitet, die auf die PDS angesetzt waren. Werthebachs Reaktion: Jetzt soll das Landesamt für Verfassungsschutz als eigenständige Behörde aufgelöst werden. Eine Abteilung der Innenverwaltung soll dessen Aufgaben wahrnehmen. PHILIPP GESSLER