Japans Regierung tritt zurück

Rücktritt macht Weg für neuen Premierminister frei. LDP-Generalsekretär Yoshiro Mori könnte schon heute neuer Regierungschef werden. Kontinuität hat Priorität

TOKIO taz ■ Nur zwei Tage nach der Bekanntgabe der schweren Erkrankung von Ministerpräsident Keizo Obuchi ist das japanische Kabinett gestern Abend geschlossen zurückgetreten. Damit wird die Ernennung eines neuen Premierministers ermöglicht. Denn Obuchi trat nicht formal zurück, bevor er ins Koma fiel.

Bereits heute will die regierende Liberal-Demokratische Partei (LDP) seinen Nachfolger als Premier und LDP-Vorsitzenden benennen. Als aussichtsreichster Kandidat gilt LDP-Generalsekretär Yoshiro Mori, der als treuer Gefolgsmann Obuchis und Architekt der Koalition mit der neobuddhistischen Partei Komeito bekannt ist. Der starke Mann im Hintergrund der neuen Regierung wird Hiromu Nonaka sein, der bis vor kurzem als Kabinettssprecher unter Obuchi wirkte.

Ziel sei es, ein Machtvakuum zu verhindern, sagte der amtierende Ministerpräsident Mikio Aoki. Ein gedrängtes außen- und wirtschaftspolitisches Programm lasse keine Verzögerung in der Regierungsbildung zu, hatten mehrere LDP-Politiker erklärt, schon kurz nachdem klar war, dass Obuchi nach seinem Schlaganfall die Regierungsgeschäfte nicht mehr aufnehmen kann. Er wird weiterhin künstlich beatmet und leidet auch an Gehirnblutungen. Es ist unklar, ob und wie der 62-Jährige überleben wird. Aoki wies jedoch gestern Medienberichte zurück, demnach sich Obuchis Gesundheitszustand verschlechter habe.

In dieser Woche stehen wichtige Gespräche mit Nordkorea auf dem Programm, in denen es um die Normalisierung der angespannten Beziehungen zwischenden beiden Staaten geht. Auch die Wirtschaftsführer erwarten ein klares Bekenntnis der neuen Regierung zum eingeschlagenen Wirtschaftskurs, damit die in Keimen erkennbare Erholung der Konjunktur nicht wieder zum Erliegen kommt.

Die Auswahl des neuen Premiers beginnt am Mittwoch mit der Wahl eines neuen LDP-Parteivorsitzenden, der dem Parlament dann als Ministerpräsident vorgeschlagen wird. Die Zustimmung im Parlament ist so gut wie sicher, weil die LDP zusammen mit der Komeito über eine Mehrheit verfügt. Selbst die Liberalen, die am Samstag den Rückzug aus dem Regierungsbündnis bekannt gaben und sich darüber gespalten haben, wollen nun abwarten, bis der neue Regierungschef bestimmt ist.

Eile ist auch angesagt, weil die oppositionelle Demokratische Partei vorgezogene Neuwahlen für das Unterhaus gefordert hat, die bis spätestens am 19. Oktober dieses Jahres durchgeführt werden müssen. Doch für die LDP und ihre Bündnispartner kämen frühe Neuwahlen äußerst ungelegen, weil derzeit die wirtschaftlichen Eckdaten negativ sind. Die Koalitionspartner hoffen, dass die Konjunktur dank eines Stimulierungspakets bis Mitte des Jahres kräftig anzieht und die Wähler dann wieder mit den Regierungsparteien versöhnt sind.

Der neue Regierungschef muss sich zudem international schnell profilieren, da Japan im Juli als Gastland für den G-8-Gipfel auftritt. Ein erfolgreicher Verlauf des Gipfels könnte dem neuen Premier aber auch Rückenwind für die Wahlen geben.

Die definitive Regierungsbildung wird bis Donnerstag, spätestens aber Freitag erwartet. Im neuen Kabinett werden die Spitzenposten voraussichtlich von denselben Ministern wie unter Obuchi besetzt. Finanzminister Miyazawa und der Chef des Wirtschaftsplanungsamtes (EPA), Taichi Sakaiya, bleiben sicher im Amt.

Gestern entschuldigte sich Aoki für von der Regierung verbreitete Falschinformationen über Obuchis Zustand. Der Krankenhausaufenthalt war erst 22 Stunden nach seiner Einlieferung, sein wahrer Zustand gar erst 36 Stunden danach bekannt gegeben worden. ANDRÉ KUNZ

kommentar SEITE 11