Kindheit als zweifelhaftes Glück

■ Alles Deppen und Neurotiker: Auch bei der Familiensatire „LureLureLure“ nehmen Jasmin Vardimon und ihre Zbang Dance Company kein Blatt vor den Mund

Mal wieder erweist sich das „Junge Hunde“-Festival als Talentgrube, wenn nicht gar als Sprungbrett für eine internationale Karriere. Wie für Jasmin Vardimon und ihre Zbang Dance Company, deren Erfolg bei Hamburgs Nachwuchsfestival im letzten Jahr der in London lebenden Choreografin und Tänzerin eine Koproduktion mit Kampnagel einbrachte. Seit einem Jahr wird die junge Israelin nun als die Entdeckung im europäischen Tanztheater gefeiert.

Rabenschwarz ist ihr Humor, intelligent ausgesponnen sind die Charakterportraits, die sie im pointierten Bewegungseinsatz bei einnehmender Körperpräsenz für ihre Tänzer entwirft. Feinsinniger Witz, der sich dennoch gerne dann und wann in heftigen Stunts entlädt. In „Tête“, einer grotesken Ménage à trois, in der sich zwei Frauen an einem liebesmüden Mann abarbeiteten, verknüpfte die Choreografin geschickt die Gegensätze und traf mit herzerfrischender Komik den Nerv beim Hamburger Publikum. An die Legende der Salomé hängte der Mann seine Fantasien vom anderen Geschlecht, während sein Kopf, projeziert auf einen Luftballon, bereits solo im Raum schwebte.

LureLureLure heißt das neue Stück, das am heute auf Kampnagel Premiere hat. Und man kann sicher sein, dass Vardimon auch diesmal in der als Familiensatire angekündigten Tanztheaterproduktion kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn die Tochter die Mutter als Neurotikerin, die Schwester als überdrehte Nudel, den Vater als gutmütigen Deppen und dabei die Kindheit als eher zweifelhaftes Glück entlarvt. Wieder arbeitet sie im bewährten Team zusammen mit dem israelischen Videokünstler Guy Bar Amotz. Zudem wird die mit mehreren Preisen ausgezeichnete Tänzerin Vardimon neben Liat Shinar-Odgen, Catherine Gardner und Luke Burrough selbst als Performerin auf der Bühne stehen.

Dramatisch, ausgesprochen theatralisch, höchst ausdrucksvoll und von aggressiver Dynamik ist ihre Tanzsprache, deren Basis sie sich in Israels Kaderschmiede für den modernen Tanz, der Kibbutz Dance School, erarbeitet hat. Später tanzte und choreografierte sie für die Kibbutz Contemporary Dance Company, unterstützt vom renommierten Suzanne Dellal Centre in Tel Aviv, bevor sie u. a. bei dem Tanztheater-Magier Joseph Nadj in Frankreich weitere Inspiration und poetischen Feinschliff erwarb. Lustvoll ironisch kreist ihr Tanz um Fragen nach sozialer Norm, um Krankheit, Gesundheit und Moral, fördert in psychologisch durchtriebenen Studien, teils entlang literarischer oder mythologischer Vorlagen, köstlich absurde Antworten zu Tage.

Marga Wolff

Premiere: Do, 6. April, weitere Vorstellungen: 7. - 9. April, Kampnagel