Dinosaurier fürs 21. Jahrhundert

Am 14. Mai öffnet die größte und teuerste Ausstellung, die es in Berlin je gab. Allumfassend wie die „Orakel der Alten Welt“, verschlingt das verspätete Millenniumsspektakel den Jahresetat eines ganzen Staatstheaters: 28 Millionen Mark

von RALPH BOLLMANN

Eine solche Ausstellung hat die Welt noch nicht gesehen. Sie soll „ahnungsweise den Blick in die Zukunft der Menschheit“ richten, aber die Vergangenheit nicht außer Acht lassen. Sie soll die „Verheißungen des elektronischen Zeitalters“ vorführen und damit „Zeichen setzen für eine Welt von morgen“ – ganz wie die „Orakel der Alten Welt“. Kurz: Die Schau, die unter dem Titel „Sieben Hügel – Bilder und Zeichen des 21. Jahrhunderts“ am 14. Mai im Berliner Martin-Gropius-Bau ihre Pforten öffnet, strebt nach Totalität. Mensch und Natur in Vergangenheit und Zukunft sind ihr Thema, eine wahre Welt-Ausstellung also.

Dumm nur, dass der gewöhnliche Erdenmensch aus Fleisch und Blut das Mammutprojekt weder durchschauen noch bezahlen kann. Klaus Wowereit, SPD-Fraktionschef im Landesparlament und sonst ein kunstsinniger Mann, kritisiert die „unsägliche Höhe“ der Kosten: 28 Millionen Mark. Das ist ungefähr der jährliche Zuschuss, um den es geht, wenn Berlins Politiker angesichts der hauptstädtischen Finanzkrise über die Schließung eines Staatstheaters spekulieren.

Bezahlt wird die Ausstellung von der staatlichen Lotto-Stiftung, mit denen sonst die Löcher im Kulturetat gestopft werden. Mitglieder der rot-schwarzen Koalition dürfen die Gelder freihändig vergeben (siehe Kasten). „Im Parlament hätten wir das sicher nicht bewilligt“, sagt Wowereit. Als „wahnsinnig“ bezeichnet auch die bündnisgrüne Opposition die Kosten. Das Konzept sprenge nicht nur den Geldbeutel des Staates, sondern auch „das intellektuelle Fassungsvermögen des einzelnen Besuchers“, glaubt die grüne Abgeordnete Alice Ströver.

„Das Projekt passt nicht mehr in die finanzpolitische Landschaft“, räumt selbst Ulrich Eckhardt ein, der als Leiter der Berliner Festspiele für das Millenniumsprogramm verantwortlich ist. Das aber sei nicht absehbar gewesen, als er vor fünf Jahren mit der Planung begann. „Thematisch“ hält Eckhardt das Konzept noch immer für „einwandfrei“. Mit einer Kunst- oder Geschichtsausstellung ließen sich die Kosten nicht vergleichen: „Der Einsatz von Medientechnologie ist enorm teuer.“

Mit ihrem Projekt einer „zentralen Ausstellung zum Millennium“ kommen die Berliner reichlich spät. Längst ist die große Jahrtausend-Euphorie verflogen. Und in Hannover, nur 90 Zugminuten entfernt, wartet der „Themenpark“ der Expo mit einem ähnlichen Konzept auf. Ein „Doppelangebot“, wie Berlins Finanzpolitiker gern mäkeln? „Eine sinnvolle Ergänzung“, sagt Eckhardt. Was in Hannover für den eiligen Besucher konzipiert sei, werde in Berlin vertieft behandelt.

Ursprünglich wollten die Ausstellungsmacher ihre Objekte in der Asbestruine des Palasts der Republik präsentieren und auf dem Platz davor Zelte für die „sieben Hügel“ aufschlagen. Doch die Entgiftung des Honecker-Baus kam nicht schnell genug voran. Was 30 Mitarbeiter in fünf Jahren erarbeitet haben, wofür eigens sieben Ausstellungsarchitekten engagiert wurden – das muss sich jetzt im viel kleineren Martin-Gropius-Bau drängen.

Die Zeit der „inszenierten Großausstellungen“ ist, wie Eckhardt feststellt, ohnehin vorbei – sie sind nicht nur zu teuer, sie werden auch von neuen Medien verdrängt. Der Berliner Martin-Gropius-Bau, speziell auf dieses Genre zugeschnitten, wurde gerade erst für 50 Millionen Mark umgebaut. Was damit geschehen soll, weiß von Berlins Kulturpolitikern niemand – außer, dass man die Probleme unter dem Deckmantel einer „Bundeskunsthalle“ auf die Ebene des Gesamtstaats schieben könnte. „Das Thema“, sagt der Festspielchef, „wird uns noch beschäftigen.“