die stimme der kritik
: Betr.: Als Deutscher auf Reisen

SCHWEDEN LÜGEN NICHT

Jetzt geht es also wieder los. Kaum sind die ersten schönen Tage da, wird sofort hektisch und entschlossen rausgefahren und schnell mal der nächste Urlaub geplant. Was soll das? Als wenn’s nicht auch mal ganz schön wäre, Berlin bei gutem Wetter zu sehen. Kein Wunder, dass viele Berliner Berlin nicht mögen, wenn sie bei gutem Wetter sofort wegfahren und nur bei Nieselregen in der Stadt bleiben.

Obwohl, grundsätzlich habe ich ja gar nichts gegen das Verreisen. Nein, ich fahre eigentlich sogar ganz gern ins Ausland. Auch wenn es nicht immer leicht ist. Für meine Generation war es gewiss nie ganz einfach, sich im Ausland als Deutscher zu erkennen zu geben. Die meisten Bewohner des benachbarten Auslands rümpfen doch bedenklich die Nase, wenn man zugibt, Deutscher zu sein. Und wenn man dann unerwarteter Weise doch mal von jemandem mit offenen Armen empfangen und überschwänglich freudig begrüßt wird, muss man immer befürchten, dass derjenige vermutlich ein Faschist ist.

In meiner Jugend war mir das stets äußerst peinlich, weshalb ich im Ausland regelmäßig behauptet habe, ich sei Schwede. Zwar kann ich kein Schwedisch, aber fast alle Schweden sprechen ja Englisch. Ich bin damit eigentlich ziemlich gut gefahren, nur dreimal gab’s ein paar Probleme.

Vor zwölf Jahren, als ich nach einer Woche Ferien in Prag derart von meiner schwedischen Identität überzeugt war, dass ich diese auch bei der Ausreise an der Grenze angab, gleichzeitig meinen deutschen Pass vorzeigte und daraufhin zwölf Stunden auf der Grenzwache festgehalten und verhört wurde. Meine damaligen Mitreisenden sind bis heute deshalb etwas sauer auf mich.

Vor acht Jahren in Paris bat mich ein Kellner, für drei Schweden an einem anderen Tisch zu dolmetschen. Damals wollte ich den Schwindel schon gestehen, bemerkte aber noch rechtzeitig, dass die drei anderen Schweden aus Kaiserslautern kamen. Verwandte Seelen.

Und, das eigentlich schlimmste Erlebnis im letzten Jahr, mein Urlaub in Norwegen, als ich feststellen musste, dass die Norweger gar nichts gegen Deutsche haben, aber Schweden nicht ausstehen können. HORST EVERS