Pjöngjang sucht neue Freunde

Nordkoreas Außenminister will die Bundesregierung zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen bewegen. Doch die will noch nicht

BERLIN taz ■ Die kommunistische Regierung Nordkoreas ist zurzeit auffällig darum bemüht, die internationale Isolierung des ostasiatischen Staates zu durchbrechen. Pjöngjang hat eine diplomatische Offensive gestartet, die Außenminister Paek Nam Sun gestern nach Berlin führte. Es ist der erste Besuch eines nordkoreanischen Außenministers im vereinigten Deutschland. Die Bundesregierung hatte 1990 die von der DDR geerbten diplomatischen Beziehungen auf das Niveau gegenseitiger Interessensvertretungen herabgestuft. Seitdem ist Nordkoreas frühere Botschaft in Berlin-Mitte offiziell ein Teil der chinesischen Botschaft; die deutsche Interessensvertretung im früheren DDR-Botschaftsgebäude in Pjöngjang wurde zur Außenstelle der Botschaft Schwedens.

Nordkoreas Außenminister Paek will die Bundesregierung zur Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen bewegen. Noch gestern Nachmittag wollte Paek mit dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer (Bündnisgrüne), zusammentreffen. Wie vorab ein Sprecher des Außenamtes gegenüber der taz erklärte, begrüßt die Bundesregierung den Dialog mit Pjöngjang, sieht aber keinen Grund, die Beziehungen zu verändern. Deshalb sei auch kein Treffen mit Außenminister Joschka Fischer geplant. „Es gibt in Nordkorea keine substanzielle Veränderung, die eine Aufwertung der Beziehungen rechtfertigen würde“, so der Sprecher. Bisher habe Nordkorea die internationale Sorge, dass Pjöngjang Massenvernichtungswaffen entwickle, nicht entkräftet. Volmer wolle Paek zur Einstellung der nordkoreanischen Raketentests auffordern und zur Unterzeichnung des Atomteststoppabkommens ermuntern.

Weitere Themen sind von deutscher Seite die Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Das heruntergewirtschaftete und von einer Hungersnot gezeichnete Nordkorea erhielt 1999 von der Bundesregierung 3,6 Millionen Mark Nothilfe, die in Projekte internationaler Organisationen flossen. „Die Krise in Nordkorea lässt sich durch humanitäre Hilfe allein nicht beheben, doch ist Hilfe für die am meisten Betroffenen dringend geboten“, lautet das Fazit von Vertretern des Auswärtigen Amtes, die im Oktober Nordkorea besuchten. Sie hatten gravierende Mängel bei der Versorgung mit Energie, Nahrung, Trinkwasser, Winterkleidung und Medikamenten festgestellt. Um effektiv Hilfe leisten zu können, müsse Nordkorea sich jedoch stärker öffnen. Nach achtjähriger Unterbrechung wurden gestern in Pjöngjang auch Gespräche über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Japan und Nordkorea begonnen. Japan fühlt sich von nordkoreanischen Raketen bedroht. Strittig ist auch das Schicksal von Japanern, die vom nordkoreanischen Geheimdienst entführt wurden, sowie japanische Entschädigungszahlungen für im Zweiten Weltkrieg begangene Verbrechen.

Einen Durchbruch erzielte Nordkorea, als im Januar Italien als erster G-7-Staat diplomatische Beziehungen mit Pjöngjang aufnahm. Kürzlich reiste Außenminister Lamberto Dini sogar nach Nordkorea. Ein ursprünglich für Ende März geplanter Washington-Besuch hoher nordkoreanischer Vertreter fand bisher jedoch nicht statt. Zurückhaltend reagiert Pjöngjang bisher auf den Wunsch des südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung nach einem innerkoreanischen Gipfeltreffen. Außenminister Paek sagte gestern in Berlin, die Bedingungen dafür seien noch nicht reif. Kim will mit Entspannungspolitik die Beziehungen zum verfeindeten Norden verbessern. Pjöngjangs Versuch, die Isolierung zu beenden, wird in Seoul begrüßt. SVEN HANSEN