Diktatoren werden angeklagt

Nicht nur Spanien verklagt lateinamerikanische Ex-Staatschefs. In Guatemala und El Salvador beginnt die Aufarbeitung der blutigen Vergangenheit

SAN SALVADOR taz ■ Noch fühlen sich die ehemaligen Diktatoren Guatemalas nur belästigt. Solange sie nur in Spanien verklagt worden sind, mag ihre Reisefreiheit eingeschränkt sein. Aber sie tun weiter so, als wären sie nie für etwas Böses verantwortlich gewesen. Doch schneller, als es nach Pinochets Verhaftung in London passierte, könnte es für Efrain Ríos Montt, Romeo Lucas García und Oscar Humberto Mejía auch in ihrer Heimat unbequem werden. Jetzt werden auch in Guatemala Klagen gegen die Ex-Staatschefs vorbereitet.

Die Rechtslage in Guatemala ist klar. Der 1999 veröffentlichte Bericht einer Wahrheitskommission stellt eindeutig fest: In den Jahren 1981 bis 1983 fand in Guatemala ein Völkermord an mindestens vier Maya-Völkern statt, angeordnet von den jeweiligen Staatschefs. Diese waren – jeweils nach einem Putsch – erst Lucas García, dann Ríos Montt und zuletzt Mejía. Allein in der Regierungszeit Ríos Montts von März 1982 bis August 1983 wurden im Norden des Landes über 400 Maya-Gemeinden ausgerottet.

Die guatemaltekische Staatsanwaltschaft hätte längst von sich aus tätig werden müssen. Ein Amnestiegesetz, das aufgrund des Friedensvertrags zwischen Regierung und Guerilla 1996 erlassen wurde, schließt Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausdrücklich aus. Doch die Generäle im Ruhestand können sich auf korrupte Richter und Staatsanwälte verlassen. „Das Justizwesen in Guatemala funktioniert seit Jahren nicht mehr“, sagt der staatliche Menschenrechtsbeauftragte Julio Arango. So kann Ríos Montt frech behaupten, es habe in Guatemala nie einen Völkermord gegeben.

Doch der Menschenrechtsanwalt Frank La Rue arbeitet intensiv daran, Ríos Montt auf die Anklagebank zu bringen. Seit einem Jahr sammelt er Beweise gegen ihn und Lucas García. Im Herbst soll die Klage fertig sein. Dann will La Rue die Aufhebung von Ríos Montts Immunität beantragen, die dieser als Parlamentspräsident. La Rue will sich erst dann an internationale Instanzen wenden, wenn in Guatemala alle juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.

Im Nachbarland El Salvador versuchen Menschenrechtler, den Ex-Präsidenten Alfredo Cristiani und hohe ehemalige Militärs wegen Verbrechen zur Zeit des Bürgerkriegs verhaften zu lassen. Alfredo Cristiani und René Emilio Ponce geben sich ähnlich ahnungslos wie Ríos Montt in Guatemala.

Cristiani, heute Vorsitzender der rechten Regierungspartei Arena, war 1989 Präsident. Ponce war Chef des Generalstabs der Armee. Nach einem Bericht der salvadorianischen Wahrheitskommission hat Ponce im November 1989, mitten in der größten Guerilla-Offensive des Bürgerkriegs, die Führungsriege der regierungskritischen Jesuiten-Universität ermorden lassen. Kurz nach der Ausgabe des Befehls und noch vor dem achtfachen Mord hatte er ein Treffen mit Cristiani. Beide behaupten heute, sie hätten von nichts gewußt. Wegen einer 1993 erlassenen Generalamnestie sei der Fall sowieso längst erledigt.

Trotzdem hat die Jesuiten-Universität jetzt eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt und verlangt, dass Cristiani und Ponce festgenommen werden. Ihr Argument: Das Amnestiegesetz sei ungültig, da nach der salvadorianischen Verfassung der Präsident keine Straftaten amnestieren darf, die in seiner eigenen Regierungszeit von Staatsbediensteten begangen wurden. Cristiani hattte 1993 das Amnestiegesetz unterzeichnet, das jetzt ihn selbst und seinen damaligen Angestellten Ponce schützt. Seit zwei Jahren liegt eine Klage gegen die Amnestie unbearbeitet beim Verfassungsgericht. Dessen Präsident Eduardo Tenorio hat jetzt angekündigt, demnächst darüber entscheiden zu wollen.TONI KEPPELER