Ein Trog voll Streit

Schon Hans Haackes Kunstwerk für den Reichstag entzweite die Politik. Gestern stritt man sogar über die beste Art, den Konflikt zu schlichten

aus BerlinGUNNAR MERGNER

Die Provokation zumindest war erfolgreich. Der künstlerisch gedachte Erdtrog von Hans Haacke mit der Leuchtschrift „Der Bevölkerung“ landete auf der Tagesordnung des deutschen Bundestages. Gestern Abend debattierte das Plenum über die Installation, die der in New York lebende Künstler für einen Innenhof des Reichstagsgebäudes entworfen hatte. Das Abstimmungsergebnis stand bei Redaktionsschluss noch aus.

Der Initiator der Bundestagsdebatte, Norbert Lammert (CDU), verspottete den Erdtrog als „skurrile Bundesgartenschau“, über die dem Parlament als möglichem Auftraggeber ein ästhetisches Urteil erlaubt sein müsse. Die optische „Zumutung“ des Künstlers laufe inhaltlich ohnehin ins Leere: Die Abgeordneten verstünden sich bereits als Vertreter des ganzen Volks und brauchten „von niemandem Nachhilfeunterricht“.

Für den FDP-Abgeordneten Hans-Joachim Otto agierte Hans Haacke mit einer falschen Symbolik: Die „Beschaffung von Heimaterde“ zeuge mehr von nationalsozialistischer „Blut-und-Boden-Ideologie“ als die Inschrift „Dem Deutschen Volke“ am Giebel des Reichstags, sagte Otto in der Plenardebatte.

Derart dramatische Begriffe brauchte die Grüne Antje Vollmer gar nicht zu bemühen. Haackes Kunstaktion sei „so skurril, dass es gute Gründe gibt, da einfach nicht mitmachen zu wollen“. In ihrer launigen Rede protestierte sie gegen den „Gesinnungs-TÜV“, zu dem die Debatte stilisiert worden sei: „Wer gegen das Kunstwerk ist, signalisiert damit nicht, dass er ‚rechts‘ ist.“ Ein schwerer Stand für die Verteidiger von Haackes Entwurf. Der SPD-Abgeordnete Gert Weisskirchen warb mit spürbarer Begeisterung für Haackes Werk, auch wenn er eher die Freiheit der Kunst im Allgemeinen verteidigte als Haackes künstlerische Konzeption im Besonderen. Die Demokratie beruhe auch darauf, „dass es Nichtabstimmbares gibt“.

Umstritten war also nicht nur das Kunstwerk selbst, sondern auch die Entscheidung, den Konflikt per Abstimmung aus der Welt zu schaffen. Wilhelm Schmidt, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, befürchtete im Vorfeld der Debatte eine Entwertung des Kunstbeirats des Bundestags. Bereits zweimal hatte sich das 11-köpfige Gremium für den Entwurf Haackes ausgesprochen – und drohte nun düpiert zu werden. Grund genug für Wilhelm Schmidt, sich trotz seiner persönlichen Ablehnung des Haacke-Werks für dessen Errichtung einzusetzen. Um die Souveränität des Beirats zu achten, müsse man auch mal „dämliche Projekte“ schlucken.