Dresdner Bank streicht die Segel

Die abgesagte Megafusion macht die weltweite Expansion der Deutschen Bank und der Allianz-Versicherung vorerst zunichte

von HANNES KOCH

Durch den Widerstand der Dresdner Bank hat die globale Expansion der Deutschen Bank und der Allianz AG einen herben Dämpfer erhalten. Die Fusion der beiden Geldinstitute zur größten Bank weltweit mit einer Bilanzsumme von rund 2,5 Billionen Mark ist dadurch vorläufig geplatzt. Auch die weltgrößte Versicherungsgruppe Allianz, die das Geschäft maßgeblich in die Wege leitete, kann den Aufbau eines globalen Allfinanzkonzerns vorläufig nicht fortsetzen. Die Allianz hält rund fünf Prozent der Aktien der Deutschen Bank und ist mit 22 Prozent an der Dresdner Bank beteiligt.

Unter der Ägide der Allianz wollte die Deutsche die Dresdner Bank schlucken. Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer und Dresdner-Bank-Boss Bernhard Walter hatten vereinbart, das Privatkunden-Geschäft der beiden Institute mit fast allen Filialen unter dem Dach der Deutschen Bank 24 zusammenzufassen und auszulagern. Die Banken sollten sich dadurch auf das weltweite Geschäft mit reichen KundInnen und das Investment-Banking konzentrieren. Diese Tätigkeiten versprechen höhere Renditen als die Betreuung von KleinsparerInnen und deren Girokonten.

Deutsche und Dresdner wollten durch diese Fokussierung den angloamerikanischen Investment-Banken wie Goldman Sachs Konkurrenz machen, die bislang das Geschäft mit weltweiten Firmenfusionen und Aktiendeals beherrschen.

Auch die Expansion der Allianz-Versicherung gerät nun in Schwierigkeiten. Der Charme des Deals für den Münchner Konzern bestand darin, dass er nahezu die Hälfte der Anteile der Bank 24 übernommen hätte. Außerdem wollte die Deutsche Bank die Vermögensberatung der Deutschen Gesellschaft für Wertpapiersparen (DWS) an die Allianz abgeben. Das Unternehmen wäre damit endgültig aus dem traditionellen Versicherungsgeschäft herausgewachsen und zum internationalen Allfinanzkonzern mutiert.

In den Filialen der Bank 24 und allen anderen Niederlassungen der Allianz weltweit wären perspektivisch alle Finanzdienstleistungen unter einem Dach angeboten worden: von der Feuerversicherung über Girokonten bis zur kleinen Aktienberatung. Die damit zusammenhängenden Rationalisierungseffekte und erhofften Profite werden einstweilen ausbleiben.

Auch für die Beteiligungsverhältnisse in der deutschen Wirtschaft hat der geplatzte Deal eine wichtige Bedeutung. Die Neuorganisierung des Anteilsbesitzes der drei Finanzunternehmen an anderen Konzernen wird nun wesentlich langsamer vonstatten gehen.

Die Fusion sollte eigentlich den Startschuss bilden für die Umgruppierung der Firmenbeteiligungen. Die Geldinstitute wollten sich von vielen Aktienbeteiligungen trennen, die ihnen entweder zu wenig lukrativ erscheinen oder nicht in ihre strategische Ausrichtung passen. Das hätte internationalen Investoren die Chance gegeben, große Aktienpakete an wichtigen deutschen Industriekonzernen zu erwerben. Dass die „Deutschland AG“ nun nicht in dieser Weise aufgebrochen und der rauen Luft des internationalen Marktes ausgesetzt wird, dürfte viele Betriebsräte und Gewerkschafter freuen.

Auch für SPD-Finanzminister Hans Eichel stellt die geplatzte Fusion einen Dämpfer dar: Durch die angekündigte Steuerbefreiung für Unternehmensverkäufe wollte er die Umstrukturierung der deutschen Wirtschaft voranbringen, die sich nun infolge der geplatzten Fusion langsamer entwickeln wird.

In der deutschen Bankenwelt ist nun wieder alles offen. Das Fusionskarussell wird sich erneut in Bewegung setzen. Stand die Commerzbank infolge der geplanten Megafusion kurzzeitig alleine da, kommt sie nun wieder ins Spiel.

Und die Landesbanken, Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisenbanken, die sich schon die Hände rieben, müssen sich etwas Neues überlegen. Die kleinen Institute wollten in die Fußstapfen der Großen treten und viele der unzufriedenen KundInnen von Deutscher und Dresdner Bank abwerben. Besonders die ungeschickte Ankündigung der Dresdner Bank, alle Leute mit weniger als 200.000 Mark Vermögen in die Bank 24 abzuschieben, hatte die Sparkassen um viele KundInnen reicher gemacht. Doch nun könnten die für die Dresdner Bank unangenehmen Fluchtbewegungen abebben und den kleineren Instituten ihre Expansionsmöglichkeit nehmen.