„Man hat Verantwortung“

Dynamite Deluxe spielen im ColumbiaFritz. Rapper Samy Deluxe über Battle-Rhymes, Gruppensex und Keine-Heimat-Gefühle: „In Deutschland werde ich auf jeden Fall nicht alt“

taz: Seid ihr darauf vorbereitet, Stars wie eure Hamburger HipHop-Kollegen zu werden?

Samy Deluxe: Natürlich käme man irgendwie damit klar. Aber schon jetzt hängen irgendwelche 14-Jährigen vor meiner Haustür rum und stecken mir Briefe in den Briefkasten, in denen steht, sie wollen Gruppensex mit mir haben. Das ist so würdelos.

Warum sind auf Eurer neuen Platte ausschließlich Battle-Rhymes?

Ich will nicht der beste Storyteller sein. Mir ist lieber, die Leute sagen, Sam kann vielleicht nur Battle-Raps schreiben, aber live ist er auf jeden Fall der beste Rapper, den es in Deutschland gibt.

Fühlst du dich mit dieser Einstellung nicht antiquiert innerhalb des DeutschHops?

In Deutschland muss es immer etwas Thematisches sein. Die Schreiberlinge hätten lieber eine LP gehabt, auf der ich mich darüber auslasse, wie scheiße es mir wegen meiner Hautfarbe in Deutschland geht. Die Leute checken nicht, worum es im Rap geht: dass es eine Sprachkunst ist, dass man mit Bildern arbeitet. Ich bin nun mal kein Deutscher, ich habe andere Einflüsse, ich fühle anders als andere.

Ich dachte eigentlich, du wärst Deutscher...

Ich bin auf dem Passport Deutscher, aber ich habe mich hier immer schon falsch gefühlt. Ich bin einer von Millionen, die hier aufgewachsen sind, aber sich hier nicht zu Hause fühlen. Weil sie dumm angeguckt werden, weil sie – obwohl sie besser Deutsch sprechen als die meisten ihrer Klassenkameraden – im Alltagsleben trotzdem die Arschkarte ziehen.

Aber kann es sich nicht für dich persönlich totlaufen, immer über dasselbe zu rappen?

Es ist meine Ausdrucksform, wie soll eine Ausdrucksform langweilig werden? Sänger hören doch auch nicht auf zu singen. Für mich ist ein Battle-Text einfach ein Rap-Text, in den alles, jede Lebenssituation, einfließen kann. Auch wenn ich die LP jetzt höre, dann fühle ich mich zwar nicht in allen Bereichen meiner Person abgedeckt, aber auf der Platte ist viel mehr drauf als nur die Aussage, dass ich ein guter MC bin. Aber jeder reitet darauf rum. In Amerika wird kein Rapper gefragt, warum er nur Battle-Texte macht, das ist einfach selbstverständlich. Ich fühle mich in Deutschland so unverstanden, dass ich auf der nächsten LP bestimmt aus Trotz noch mehr Battle-Texte mache.

Viele glauben wohl, ich schreibe Battle-Texte, weil mir nichts anderes einfällt, weil ich zu dumm wäre, Konzept-Songs zu schreiben. Die würden sich totlachen, wenn sie meine ersten Lieder lesen könnten, da habe ich nur übers Schwarzsein in Deutschland geschrieben. Aber als ich angefangen habe, war ich meistens der Jüngste, und da habe ich gemerkt, dass es echt komisch ist, den älteren Leuten im Publikum zu erzählen, wie schlimm es in Deutschland ist. Aber jetzt sind nur noch Kleine im Publikum, da hat man Verantwortung, dass man denen was mit auf den Weg gibt.

Kann man alt werden mit HipHop?

Ich bin jetzt 22. Wenn man so alt ist wie ich, denkt man, mit 40 ist alles aus, ich kenn keinen 40-Jährigen,der noch gut drauf ist. Dann hat man auf einmal die derbe panische Angst. Aber da muss man drauf scheißen. Wenn ich mir ständig Gedanken darüber machen würde, ob ich die Musik auch noch mit 50 machen kann, dann wäre das scheiß Musik. Wenn gerade mal kein Geld reinkommt, dann geht man eben jobben oder verkauft mal kurz Gras. Man kann sich immer irgendwie ernähren.

Was wäre Erfolg für dich?

Erfolg ist, dass man leben kann, wie man will. Ich habe zwar so gut wie nichts auf dem Konto, aber ein bisschen was in Aussicht und weiß, dass ich die nächsten Monate meine Miete zahlen kann und vielleicht mal den einen oder anderen Urlaub machen kann. Wenn ich mal richtig Geld verdiene, dann werde ich auf jeden Fall viel reisen, um zu checken, wo auf der Welt es sonst noch cool zum Leben ist. In Deutschland werde ich auf jeden Fall nicht alt. Interview: THOMAS WINKLER

Dynamite Deluxe spielen heute abend, 20.30 Uhr im ColumbiaFritz, Columbiadamm 9–11