zwischen den rillen
: Rosa Watte im Gehirn: Bones, Thugs-n-harmony haben das Rezept für die HipHop-Revolution

KUSCHEL-INS STATT BANDENKRIEGE

Großes lebt von der gelungenen Verschränkung von Einfachem und Kompliziertem. Bone thugs-n-harmony etwa. Bone, weil sie alle so heißen: Krayzie Bone, Wish Bone, Layzie Bone, Bizzy Bone und Flesh'n'Bone. Thugs, weil ihre Musik das Leben der Thugs verhandelt, der schwarzen, jugendlichen Eckensteher, die Drogen verkaufen und Omas die Handtaschen klauen. Harmony, weil sie nicht einfach rappen, sondern in ihrem Singsang HipHop, Scat und DooWop zu harmonischen, mehrstimmigen Arrangements verbinden.

Das wäre das Einfache. Das Komplizierte ist, wie sie das tun, und wie sich das Thug-Sein zum Harmony-Singen verhält. Die gewalttätigen Geschichten von Mord und Totschlag, von Drogen und dem Welfare-Check, von der Glock Automatic und schwierigen Loyalitätsverhältnissen werden in einem Gesang aufgehoben, der sich anhört, als würden fünf Chorknaben in der Pause heimlich versuchen, evil zu sein. Das war schon immer so, seit ihrem ersten Album „East 1999 Eternal“, und das ist auch auf „BTNHResurrection“ nicht anders. Als sich Bone thugs-n-harmony 1993 in Cleveland in den Bus setzten, um nach Los Angeles zu fahren, wollten sie zu Easy E. Der war zwar zu dieser Zeit der uncoolste Motherfucker des HipHop-Business – die große Zeit von NWA war schon vorbei, und irgendwie hatte jeder gemerkt, dass Easy E. eigentlich nicht rappen kann. Aber mit ihren riesigen Afros sahen Bone thugs-n-harmony selbst zumindest zweifelhaft aus. Sie hielten Easy E. jedenfalls für den Einzigen, der die Scheiße wirklich real hält und wollten bei seinem Ruthless-Label unter Vertrag. Sie lösten ein One-Way-Ticket.

Das Konzept ihres Sounds hatten sie damals schon fertig, auf „BTNHResurrection“ fahren sie es noch einmal in epischer Breite aus: Beats, Flöten, Glocken und die fünf Stimmen. Sex und Gewalt, Straße und Gottesdienst. Das ist wieder das volle Programm: Geburt, Leben, Tod, Auferstehung und alles was dazwischen liegt, erweitert allerdings durch Novitäten wie Ecstasy, das erst jetzt die Straßen von Cleveland erreicht zu haben scheint. Bone thugs-n-harmony schlucken die Pillen, und ihre Thug-Haltung kommt auf einmal dem Harmony-Gefühl der Pille in die Quere: Was tun? Ficken? Kiffen? Wo kommt die Paranoia her? Würde sich die Welt ändern, wenn dies alle nehmen würden? All diese Fragen werden aufgelöst in wunderschönen Gesangsarrangements, die genau diese süßliche Verwirrung spiegeln. Pistole im Hosenbund und rosa Watte im Gehirn, was für ein Durcheinander. „I feel so pillish floatin on that ecstasy / I feel so violent fuckin with that ecstasy.“ Dem Eindruck nach zu urteilen, den die Pillen bei Bone thugs-n-harmony hinterlassen haben, könnte Ecstasy die gesamte HipHop-Szene revolutionieren: Kuschel-ins statt Bandenkriege.

Und doch ist dies auch Popmusik. Keine HipHop-Crew hatte je solch ausgefeilte Gesangsskillz und damit einen solchen Erfolg. Jedes Album wurde bisher mehrfach mit Platin ausgezeichnet. Das wird auch jetzt nicht anders sein.

TOBIAS RAPP

Bone thugs-n-harmony: „BTNHResurrection“

(Epic/Sony)