rot-grüne reformen
: VOM TOR ZUR KATZENTÜR

Mit zwei Topthemen konnte Gerhard Schröder bisher so richtig Pluspunkte sammeln: mit der Green Card und dem Staatsbürgerschaftsrecht. Beide Vorhaben lassen den Kanzler als liberalen Reformer, als erfolgreichen Macher erstrahlen. Im Falle der Green Card sah die Opposition besonders schlecht aus, nämlich fremden- und wirtschaftsfeindlich.

Man könnte sich als rot-grüner Wähler jetzt zufrieden zurücklehnen. Tut man aber das Gegenteil und verfolgt den Reformprozess kritisch, dann lässt sich Erstaunliches feststellen: Auf dem Weg von der klangvollen Idee in die leidige Praxis torpediert Rot-Grün die eigenen großen Vorhaben. Mal ist es der Bundesarbeitsminister, mal sind es die Innenminister der Länder, die hinterrücks die Beschlüsse des Bundestags verwässern.

Bei der Einbürgerung haben die SPD-Innenminister gleich 92 verschärfende Verordnungen der Opposition geschluckt. Die wütenden Grünen haben dies kurz vor der entscheidenden Sitzung im Bundesrat bekannt gemacht. Kernpunkte: Ausländer sollen vor einer Einbürgerung vom Verfassungsschutz überprüft werden, ihr Strafregister vorlegen und eventuell einen Sprachtest absolvieren. So viel zum freundlichen Empfang und zur Integration neuer Bürger.

Bei der Green Card bietet sich dasselbe Bild: Das offene Tor für die Computercracks schrumpft zum Katzentürchen. Die Spezialisten sollen nach dem Willen von Arbeitsminister Walter Riester nur anreisen, wenn sich auch bei zweifacher Prüfung kein geeigneter Deutscher findet.

Die Informatiker müssen aber nicht nur Talent mitbringen, sondern ein Diplom vorweisen, ihre Familien daheim zurücklassen und nach spätestens fünf Jahren verschwinden. Das ist zwar eine schnelle, aber nicht die versprochene unbürokratische Lösung.

Von den hehren Kanzlervorhaben ist nicht viel übrig geblieben. Das sieht nicht vorteilhaft aus. Also rudert man zurück. Auch das Kanzleramt zeigt sich auf einmal unzufrieden mit der Green-Card-Variante von Walter Riester. Und die neuen Verordnungen zum Doppelpass werden wohl in letzter Minute von der Tagesordnung des Bundesrats genommen.

Was sich dabei zeigt: Auch wenn der Kanzler wie ein liberaler Reformer aussieht, er schwankt noch zwischen Populismus und Politik. Man muss sicherstellen, dass er letzten Endes auf die richtige Seite fällt. GUNNAR MERGNER

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