Poppige Alpträume

■ Das Böse in drei Minuten: Trashfilm-Queen Martha Colburn gastiert im Fama

Wer will, kann es Grindcore im Super-8-Format oder auch Animation galore nennen: Denn das, was Martha Colburn auf ihrer Tour / Europe 2000 auf die Filmfreaks loslässt, ist visuelle Massenware im Minutentakt. Eine bilderstürmerische Filmschau in drei Akten mit über 20 Kurzstreifen, das alles in 90 Minuten gezwängt, und dazwischen und mittendrin noch 'ne Runde Surf. Eineinhalb Stunden, in denen sich die 27-jährige Amerikanerin zur Freude ihrer weltweiten Anhänger als Apologetin des Absurden in Ganzklein adelt.

Hans-Peter Jansen, bekannt als Mitorganisator des Fantasy-Filmfests, hauptberuflich aber Förderer wirklich abseitiger Leinwandleidenschaften, hat für morgen Nacht die Werk-Show The Evil Of Martha Colburn mit Anwesenheit der Künstlerin ins Fama-Kino gebucht. Bei diesem Grauen hat die Angst allerdings Feierabend: Das Böse der Colburn provoziert beim Volk in der Regel eher ein Lachen über die konstruierten Zusammenhänge, stechenden Sexszenen und durch die Gegend platzenden Gewaltexzesse. In There's a pervert in our pool lässt Colburn zwei Minuten lang abenteuerliche Sexpraktiken, Fetisch-Fäulnisse und beste Cut-and-Paste-Perversionen im aufgeblasenen 16mm-Format über die Leinwand randalieren. Evil Of Dracula persifliert das perfekte Werbegesicht, heftet ihm Vampirklauen in den Mund und schürt die alte Furcht, alle Schönheit sei das Produkt einer außerterristischen Geheimrasse, die uns lenken und manipulieren will. Für die Autodidaktin Colburn kulminieren Absicht, Animation und Ästhetik in einer kurzen Dauer des Wütens, Bauens und Verschiebens. Eine wunderbar atemlose Liason aus handkolorierten Collageteilen, die sich von rechts nach links schieben, angedachte Handlungsstränge über'n Jordan kippen und ungeahnte Dramatiken in Aussicht stellen.

Das Tollste daran: Alles Abenteuer ficht die Allroundkünstlerin aus Baltimore nicht im geringsten an, es ist vielmehr liebgewonnenes Ritual aus dem Trash-Tempel. Die unlängst entwickelte Formel „Monthy Python meets Hieronymous Bosch“ bildet das ästhetische wie formale Koordinatensystem, in dem sich die Ineinanderschiebe-Technik der Python-Posse mit der unterweltlichen Albtraumwelt des mittelalterlichen Apokalyptikers Bosch zu etwas aufbaut, in dem Pop, Porno und Paranoia ein Eigenleben erhalten. Drei Minuten als Ewigkeit. Oliver Rohlf

Sonnabend, 22.30 Uhr, Fama