Viele Karos

Wahlkampf–Lektüre in der Mensa lesen lohnt, sagt  ■ Christoph Ruf

Immer Ende Januar, wenn wieder eine Wahl zum Studierendenparlament (Stupa) ansteht, werden Mensa-Besucher Zeugen einer skurilen Szene: alle paar Minuten kommt ein junger Mensch vorbei, legt einen Zettel auf den Tisch und eilt weiter. Richtig, der will euch von Liste A überzeugen. Es folgen die Zettelverteiler von Liste B, C und D. Kaum liegt das Papier, kommt ein meist etwas älterer Mensch im Studentenwerks-Kittel und packt es in blaue Müllsäcke.

Natürlich heißen die Listen in Wirklichkeit anders: Ob aber Namen wie „LSD“ oder „LUST“ aussagekräftiger sind, sei dahingestellt. Die taz sagt euch jetzt, welchen politischen Lagern die Listen angehören und nimmt deren Wahlkampfprospekte unter die Lupe.

Grob kann man von drei großen Lagern sprechen: Da wäre die gegenwärtige Asta-Koalition, die aus der „Grünen Hochschulgruppe“ (GHG), dem FDP-Nachwuchs „LUST“ und einigen kleineren Listen besteht. Sie erziehlten zusammen bei der letzten Wahl gut 50 Prozent. Das Lager wird in diesem Semester wieder den Asta stellen und hat sich der Umsetzung konkreter Ziele wie der „Verlängerung der Buslinie 114 zum Campus“ verschrieben. Klingt etwas kleinkariert? Wenn Ihr meint.

Die Asta-Listen präsentierten sich im Wahlkampf nett und gefällig: Die GHG plakatierte die Protagonistin von „Lola rennt“, um ihr frauenpolitisches Engagement herauszustreichen. Und nach der Wahl verkündete ein strahlender Kermit vom Plakat, dass die Grünen 35 Prozent erzielten. Und dass Kermit das freue.

Von links opponieren „LINKS“ (PDS-nah), die „JUSOS“ (falls die SPD einen linken Flügel hat, ist er hier), die „LSD“ (Liste sozialistischer DemokratInnen), die Liste „Linksruck“ (meist Mitglieder von SPD und/oder Jusos. Wollen diese dazu kriegen, für kommunistische Ideale zu kämpfen - was so aussichtsreich ist wie den Papst zum Gruppensex aufzufordern) und zu letzt „JUKO-AMS“ (DKP-nah).

Zusammen belegen diese ganz vielen kleinen Listen 25 Prozent der Sitze. Kleinkariert sind die Linken sicher nicht. Manchmal geraten die Karos (Globalisierung, Internationaler Währungsfond) dafür eine Nummer zu groß.

Die Plakate der Liste „Links“ zierten nicht selten Tucholsky-Zitate. Von dem könnte man allerdings auch lernen, wie man prägnant und bissig formuliert. Die Liste „Links“ produziert in ihrer Wahlkampfzeitung hingegen unendliche Bandwurmsätze, in denen das Verb so versteckt ist, dass sich der Sinn kaum erschließt.

Das rechte Spektrum besteht aus dem CDU-Nachwuchs vom RCDS (der in Hamburg so rechts ist, dass Stoiber wie ein alter Hippie wirkt) und den beiden Burschenschaftslisten „Pro Uni“ und „Veritas“. Zusammen kommen die adretten Menschen (meist männlichen Geschlechts) auf etwa 18 Prozent. Hinzu kommt die Frauenliste „Vera“, die verkündet, Frauen würden an der Uni nicht diskriminiert. „An dieser Uni sind nicht alle Studenten links“, behauptet der CDU-Nachwuchs auf einem anderen Plakat. Und überlegt wohl, ob er demnächst verkündet, die Erde sei eine Kugel.

Reicht euch das noch nicht, um bei der nächsten Stupa-Wahl euer Kreuz zu machen? Dann krallt euch die Menschen von Liste A, B oder C, wenn ihr sie in der Mensa seht und fragt sie aus. Sie werden sicher freundlich Auskunft geben. Denn mit der diesjährigen Wahlbeteiligung von 14, 37 Prozent war niemand zufrieden.