Leistungsfähig trotz HIV

Schwulengruppen fordern ein spezielles Sportabzeichen für HIV-Positive und Aidskranke. Denn wederbeim klassischen noch beim Behinderten-Abzeichen passen die Kriterien. Behindertensportverband prüft

HIV-Positive und Aidskranke fordern ein eigenes Sportabzeichen. Damit wollen sie unter Beweis stellen, dass sie leistungsfähig sind. Außerdem können sie sich selbst motivieren, neue Lebensperspektiven zu entwickeln, so Sebastian Wulf vom Sportverein „Vorspiel“.

Bisher können Betroffene wählen, ob sie das klassische Sportabzeichen oder ein spezielles für Behinderte ablegen wollen. Bei beiden werden Disziplinen wie Laufen, Schwimmen und Werfen absolviert. Bei Ersterem sind die Leistungskriterien für HIV-Patienten aber meist zu hoch, bei Letzterem nicht passend.

Die Präsidentin des Berliner Behindertensportverbandes, Kirstin Fussan-Freese, hat inzwischen eine Arbeitsgruppe installiert, die mit Hilfe kompetenter Fachleute wie Trainern und Ärzten klären soll, ob ein Sportabzeichen für diese Gruppe Sinn macht und welche Kriterien angesetzt werden müssten.

Diese zu finden, sei aber äußerst schwierig, meint Keikawus Arasteh, Oberarzt der Aidsstation im Auguste-Victoria-Krankenhaus. „Die allgemeine Erkrankung muss genauso betrachtet werden wie die Schwächegefühle, der Grad der Infektion oder die Nebenwirkungen der Medikamente“, so Arasteh. Objektive Kriterien würden bei Aidskranken versagen.

Aus diesem Grund ist auch László, Übungsleiter einer Sportgruppe für Positive bei „Vorspiel“, skeptisch. „Bei jedem Positiven verlaufen die Stadien der Krankheit anders. Deshalb funktionieren nur individuelle Kriterien“, meint László.

Mit ein bisschen Engagement könnte man die schon finden, hält dem Ortwin Passon entgegen. „Die Leute, die gerne ein solches Abzeichen machen würden, sind trainiert, aber zu leistungsschwach für ein normales. Und die Kriterien der Behinderten passen einfach nicht“, so der Rettungsschwimmer der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft.

Das Sportabzeichen für Behinderte wird genau wie jedes andere über den Deutschen Sportbund (DSB) abgelegt. Es wurde nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt, um den vielen Kriegsversehrten, denen meist Arme oder Beine fehlten, die Möglichkeit des Leistungsnachweises geben zu können. Neue Abzeichen muss der DSB zulassen.

So hat der Behindertensportverband im letzten Jahr ein spezilelles Sportabzeichen für geistig Behinderte initiiert. Daher können sich die Schwulenberatung und der Sportverein „Vorspiel“ auch ein Abzeichen für Aidskranke und HIV-Positive vorstellen. „Außerdem hat sich der Behindertensportverband auf die Fahnen geschrieben, Menschen mit Behinderung zu helfen, Selbstvertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit und einen Weg aus der Isolierung zu finden“, beschwört Ortwin Passon die Entwicklung des Abzeichens.

„Bevor kein offizieller Antrag bei uns vorliegt, können wir dazu gar nichts sagen“, erklärte DSB-Pressereferent Harald Pieper. Grundsätzlich müssten Fachgremien darüber befinden, ob ein solches Zeichen als Untergruppe des Deutschen Sportabzeichens zugelassen werde. „Wenn aber durch ein solches Symbol das Sporttreiben der Aidskranken unterstützt wird, sollte man das positiv bewerten“, meint Pieper.

Ähnlich sieht das auch Gabriele Tonnhofer, Sachbearbeiterin Deutsches Sportabzeichen beim Landessportbund. „Es ist eine enorme Leistung, wenn Aidskranke ein solches Abzeichen machen wollen“, sagt sie und sichert gleichzeitig im Rahmen ihrer Möglichkeiten jegliche Unterstützung zu. NADINE KRAFT