„Ankommen, ohne sich einzurichten“

Die PDS-Landesvorsitzende Petra Pau über ihre Qualitäten als Mülltonne der Partei, den Krieg mit und ohne Wasserpistolen und die politischen Unterschiede zwischen PDS und SPD nach dem Münsteraner Parteitag

taz: Frau Pau, Sie sind als eine mögliche Nachfolgerin für den Bundesvorsitzenden Lothar Bisky im Gespräch. Reizt es Sie, seine Stelle einzunehmen?

Pau: Lothar Bisky ist noch bis zum 7. Parteitag der PDS Parteivorsitzender. Bevor wir Personalfragen klären, müssen wir über Inhalte reden. Ansonsten ist Lothar Bisky unverwechselbar Lothar und ich bin Petra.

Lothar Bisky hat sich einmal als die „finale Mülltonne der Partei“ bezeichnet. Haben Sie derartige Qualitäten?

Nein. Ich glaube aber auch, Lothar Bisky hat sein Bemühen um Kultur und Kompromisse an dieser Stelle selbst überhöht.

Immerhin könnte die PDS unter der Vorsitzenden Pau auf eine Koalition im Bund zusteuern.

Darum geht es nicht. Ich möchte helfen, dass sich die PDS zu einer bundesweiten sozialistischen Bürgerrechtspartei entwickelt. Koalitionen auf Bundesebene stehen in Münster nicht auf der Tagesordnung.

Liegt eine rot-rote Koalition in zwei Jahren überhaupt im Bereich ihrer Vorstellungskraft?

Vorstellen kann ich mir vieles, aber nicht mit einer zum Neoliberalismus tendierenden SPD.

Biskys Nachfolger wird viel zu tun haben: Reformer wie Helmut Holter drängen, die Partei gründlich zu renovieren. Die Parteilinke warnt vor einer Aufgabe des sozialistischen Profils.

Die PDS muss in der Realität ankommen, aber ohne sich darin einzurichten. Unsere Partei muss den Zeitgeist in Frage stellen, ohne hinter die Erkenntnisse von 1989 zurückzufallen. Ich will eine PDS, die sich für soziale Gerechtigkeit bewegt, also nicht nur den Status quo verteidigt.

Etwas konkreter: Welche Position vertritt Ihr Landesverband?

Die PDS ist eine plurale Partei und auch der Berliner Landesverband ist nicht homogen. Wir haben uns aber in die Programmdebatte eingemischt und eine gründliche Diskussion ohne Denkverbote eingefordert.

In Münster wird um die Zustimmung zur Einzelfallprüfung von Militäreinsätzen unter UN-Mandat und ein Ja zur Marktwirtschaft gekämpft. Auf welcher Seite stehen Sie?

In Münster wird gestritten und kein Krieg geführt, nicht mal mit Wasserpistolen. Ich bin für ein klares antimilitaristisches Credo, das sich logischerweise auch im Einzelfall beweisen muss. Unsere Ablehnung von Einsätzen der Bundeswehr bleibt davon unberührt.

Auch Joschka Fischer hat seine Partei von Einzelfall zu Einzelfall regierungsfähig getrimmt.

Joschka Fischer hat mit Beteiligung der Bundeswehr einen Krieg unter Ausschaltung der UNO geführt. Damit möchte ich nicht verglichen werden, auch nicht als Option.

Was unterscheidet die PDS nach einem Bekenntnis zur Marktwirtschaft auf lange Sicht noch von der SPD?

Mit dem Schröder-Blair-Papier unterwirft die SPD die Politik den Begehrlichkeiten des Marktes. Unser Ansatz ist der umgekehrte.

Im Abgeordnetenhaus profiliert sich die PDS-Fraktion schon als der bessere Kassenwart.

Dass Berlin vor der Pleite steht, ist bekannt. Darum mogeln auch wir uns nicht herum. Die Güte eines Kassenwartes zeigt sich vor allem darin, wofür er Geld ausgibt und wofür nicht. Man kann Geld für eine unnütze Kanzler-U-Bahn verschleudern oder Wohnungsgesellschaften verhökern. Das werden wir nicht tun. Die PDS will soziale Prioritäten setzen und umverteilen.Interview: ANDREAS SPANNBAUER