Sieg auf ganzer Linie

Dass der schwule Offizier Winfried Stecher wieder als Ausbilder arbeiten darf, hat er auch dem Europäischen Gerichtshof zu verdanken

BERLIN taz ■ Im Herbst vorigen Jahres entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) gegen Großbritannien, dass schwule und lesbische Militärs aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht diskriminiert werden dürfen. Der Hinweis der Beklagten, es gebe noch zu viele Vorurteile gegen Homosexuelle, als dass ein Verbleib von offen homosexuellen Armeeangehörigen den Frieden erhalten könne, akzeptierte der EuGH nicht: Das sei nicht das Problem von Homosexuellen, vielmehr sei es Aufgabe von Dienstherren, sie vor diesen Ressentiments zu schützen.

In einem ähnlichen Tenor war auch ein Brief des Bundesverfassungsgerichts an das Bundesverteidigungsministerium gehalten. In dieser Anfrage wollte Karlsruhe wissen, worauf denn die Bundeswehr konkret ihren Verdacht stütze, dass schwule Offiziere als Ausbilder nicht die Autorität ihrer Auszubildenden genössen. Schon dieser kleine Brief signalisierte taz-Informationen zufolge Verteidigungsminister Rudolf Scharping, dass eine Verfassungsbeschwerde des Offiziers Winfried Stecher erfolgreich sein würde. Denn bislang, bekräftigt durch Scharpings Vorgänger Volker Rühe (CDU), galt, dass offen gelebte Homosexualität als Grund für eine Versetzung herangezogen werden konnte, wenn die Betreffenden als Ausbilder tätig sind.

Karlsruhe mochte sich offenkundig nicht auf diese Argumentation einlassen, war sie doch viel zu sehr von der traditionellen Vorstellung durchtränkt, Homosexuelle seien allzeit und überall nur auf Sex aus. Im Falle des bei seinen direkt Vorgesetzten und seinen Auszubildenden beliebten Offiziers Stecher wirkte diese Befürchtung besonders absurd, denn der Diskriminierte hatte in einer Anhörung erklärt, wie auch heterosexuelle Bundeswehrangehörige – denen auch nicht unterstellt wird, es rund um die Uhr auf weibliche Angehörige des Sanitätskorps abzusehen – strikt zwischen Beruflichem und Privatem trennen zu können.

Winfried Stecher kündigte an, diesen juristischen Sieg mit seinem Lebensgefährten feiern zu wollen. Die Bundeswehr hatte bis Redaktionsschluss allerdings noch keine Information darüber, ob der couragierte Mann in seine alte Funktion als Ausbilder in Upjever zurückkommen wird.

Nach Auskunft der Hardthöhe wird nun die von Verteidigungsminister Scharping im Bundestag in der vergangenen Woche angekündigte Erarbeitung eines Verhaltenskodex für homo- wie heterosexuelle Bundeswehrangehörige in Angriff genommen. Anwältin Maria Sabine Augstein kommentierte den außergerichtlichen Vergleichsvorschlag knapp: „Ein historischer Sieg auf ganzer Linie. Jetzt kann sich jeder schwule Bundeswehrangehörige dagegen wehren, im Verborgenen zu leben.“ JAN FEDDERSEN