Soundcheck

Gehört: Herbie Hancock, Musikhalle. Ein Virtuose war er eigentlich nie. Aber Virtuosen haben sich zum Glück überlebt – oder fristen wie Wynton Marsalis ihr trauriges Dasein hinter den verschlossenen Türen der Konservatorien. Hancock war, seit er als 20-Jähriger zum gefragten Hard-Bop-Session-Musiker aufstieg und später in Miles Davis' legendärem Quintett maßgeblich die modale Moderne des Jazz der 60er Jahre mitprägte, ein Mann der Straße. So abstrakt er auch seine harmonischen Schemata auslegte, die R&B- oder Gospel-Wurzeln waren immer durchzuhören. Folgerichtig nahm er in den 70ern Funk-Einflüsse auf, brachte den Synthesizer zum Singen und spielte mit den Headhunters oder Sextant Platten ein, deren futuristische Sound-Texturen sich erst heute als Vorläufer von Studio-Musiken wie Drum & Bass entschlüsseln. Von Rock It wollen wir hier erst gar nicht reden.

Am ehesten erinnerte die Musik seines Gershwin's World-Ensemble in der Musikhalle aber an jene akustische, frei groovende Übergangsphase der Warner-Aufnahmen aus den späten 60er Jahren. Das ging maßgeblich auf das Konto des Latin-geschulten Percussionisten Cyro Baptista, dessen Clownereien jeden Anflug von Akademismus charmant ausbremsten. Auf Ira Colemans solider Bassgrundlage war es dann vor allem der ungeheuer präzise akzentuierte Puls von Drummerin Terry Lynne Carrington, der Hancock immer wieder aus seinen zurückhaltend-riffenden Impressionismen zu kleineren rhythmischen Verfolgungsjagden anstachelte. Nur für die Gershwin-Streicher griff Hancock zur Elektronik, doch das wäre kaum aufgefallen, so melancholisch wie Eddie Hendersons Kornett durch die sinfonischen Blues-Gefilde wanderte. Auch im Jazz ist die Moderne kein abgeschlossenes Projekt. Wenn sie denn nur in den richtigen Händen fortgeschrieben wird.

Tobias Nagl