Die Erwiderung der Erwiderung
: Die Zeit vor der Zeit danach

■ Theaterintendant Klaus Pierwoß sieht sich in die Rolle des Dauernörglers gedrängt. Zu unrecht, wie er meint

Bin ich der notorisch Unzufriedene in der für mich „traumhaften“ Bremer Kulturlandschaft, dass Frau Staatsrätin Motschmann mich in der neuesten Auseinandersetzung mit der Rolle des bösen Buben besetzt? Man kann das Thermometer nicht für die Temperatur verantwortlich machen. Einige Punkte bedürfen dringlich der sachlichen Klarstellung:

1. Es gab keinen von der Senatorin Kahrs unterschriebenen Vertrag.

2. Bei unserem ersten Treffen haben Kultursenator Schulte und ich verhandlungsabschließend Einvernehmen erzielt und den Vertrag mit Handschlag bekräftigt; Ausfertigung und Unterzeichnung waren nicht mehr möglich, weil ich unmittelbar danach in den Urlaub aufgebrochen bin.

3. Der ausgehandelte Vertrag ist nicht von mir, sondern nach den Ferien von Senator Schulte mehrfach infrage gestellt worden. Es gab Nachverhandlungen auf Grund seiner Initiative, aber keine „weiteren Forderungen“ von mir. Auch nach der Einigung zwischen uns hat der Senator nicht unterschrieben, obwohl er das mehrfach, teilweise sogar öffentlich wie bei der Paik-Ausstellung angekündigt hatte. Am 22. Januar 2000 wurde unterschrieben, fast sechs Monate nach Vertragsbeginn. Einen vergleichbaren Vorgang gibt es nicht in der deutschen Theaterlandschaft.

4. Zahlen-Realitäten konterkarieren die traumhaften Arbeitsverhältnisse: 1994/95 betrug die Grundsubvention des Bremer Theaters 40,3 Millionen DM, 1999/2000 38,5 Millionen DM.

5. In meinem Vertrag steht 2002 als Entscheidungszeitraum für die Kündigung oder Verlängerung meines Vertrages, der bis 2004 läuft. Wie komme ich mir vor, wenn Senator Schulte schon jetzt der Öffentlichkeit Entscheidungen für die „Zeit nach Pierwoß“ mitteilt?

6. Die „Winzigkeit“ des Concordia sagt nichts aus über die Bedeutung dieser Spielstätte. Und warum muss denn diese „winzige“ Spielstätte aus Spargründen geschlossen werden?

7. Die zeitliche Maßgabe für den Kaufmännischen Geschäftsführer hat der Senator selbst gesetzt: „Zum frühest möglichen Zeitpunkt“. Aus diesem Grunde habe ich Gespräche mit anderen interessanten Kandidaten, die erst später gekonnt hätten, abgebrochen. Jeder, der in der Findungskommission für Dünnwald plädiert hat, hat die Bedingungen des Zeitpunktes problematisiert. Als sich diese Problematisierung zu einem eineinhalbjährigen Provisorium von ein oder zwei Tagen Geschäftsführertätigkeitpro Woche zuspitzte, habe ich mich entschieden gegen diese Lösung ausgesprochen, weil ich sie nicht für seriös halte.

8. Die kmb ist die McKinsey Nachfolge-Institution auf dem Gebiet der Kultur. In der Kritik an der kmb weiß ich mich einig mit so erfahrenen Theater-Experten wie dem neuen Bühnenvereinspräsidenten Jürgen Flimm oder dem Stuttgarter Theaterdirektor Hans Tränkle, die auf einer Fachtagung in Bremen das Konzept und die Argumentierweise von Volker Heller nachhaltig kritisiert haben.

9. Über meine Intendanten-Rolle hinausgehend habe ich mich in der Kulturinitiative Anstoß nachweislich für den Erhalt der Vielfalt und Qualität der gesamten Bremer Kulturszene engagiert – meine Art von Solidarität.

Dr.Klaus Pierwoß/Generalintendant