Kammermusik für die Autobahn

■ Das Septett des Schlagzeugers Brian Blade begeisterte im KITO

Mit der Zeit hatte man es schon fast aufgegeben, bei den Konzerten der Reihe „rising stars“ wirkliche Neuentdeckungen zu erwarten. Die meisten dieser amerikanischen Jung-Jazzer sind brave Neoklassizisten, die alle schon viel älter klingen, als sie es biologisch sind. Um so nachhaltiger war da der Eindruck, den der Schlagzeuger Brian Blade mit seiner Gruppe „Fellow-ship“ hinterließ. Blade hat in den Bands von solchen Größen wie Bob Dylan, Joni Mitchell, Seal, Joshua Redman und Pat Metheny getrommelt, und dabei offensichtlich die Ohren weit aufgesperrt. Und in einigen Momenten kann man die Einflüsse auch noch genau benennen: Eine Introduktion hat die elegische Poesie von Miss Mitchell, und der Gitarrist Kurt Rosenwinkel ist eindeutig deshalb in der Band, weil er ein Primus der Metheny-Schule ist. Aber die Musik dieser Gruppe ist so kompakt, erfindungsreich und lebendig, dass man schnell aufhört, nach den Quellen zu forschen.

Wenn man aber unbedingt eine Tradition finden will, in der Brian Blade spielt und (fast noch wichtiger) arrangiert, dann ist dies eindeutig Chico Hamilton mit seinem Quintett aus den frühen 60-ern. Wenn Blade mit den Paukenschlegeln eher melodisch als rhythmisch seine Drums bearbeitet, klingt er schon sehr nach Hamilton, und mit seiner ungewöhnlichen Instrumentierung (zwei Gitarristen auf E- und Steelguitar und zwei Saxphonisten auf Sopran-, Alt-, und Tenorsax und der Bassklarinette) ist er ähnlich verwegen (Hamilton hatte einen Cellisten in seinem Quintett). Und wie Hamilton versucht auch Blade mit seiner Musik so etwas wie die Quadratur des Kreises: Er spielt einerseits einen sehr feinsinnigen, hochkomplizierten Jazz, der anderseits so süffig swingt, dass man schnell mitgerissen wird. Solche Musik kann nur von der amerikanischen Westcoast kommen: es ist Kammermusik für das Autoradio!

Dass Brian Blade nicht nur ein vielseitiger und sehr organisch spielender Schlagzeuger, sondern auch ein Bandleader mit großer Zukunft ist, erkennt man daran, dass er sich mit der gleichen Intensität und Fantasie auf Klangfarbe, Arrangement und Improvisation konzentriert. Jeder Song klingt anders, die Instrumentierung ist variantenreich und originell (die Melodie wird oft unisono von Duos wie Steel-Guitar/Piano oder Bassklarinette/Gitarre gespielt), und in den ausgeklügelten Arrangements blühen die durchweg spannenden und inspirierten Soli auf. All das gespielt von einer extrem gut eingestimmten Band und mit einer ganz eigenen Eleganz, die Jazz und Pop auf hohem Niveau vereint. Und einem Mann, der einen „Song for Dogs“ mit dem Titel „Loving without Asking“ schreibt, ist noch vieles zuzutrauen. W. Hippen