religionsunterricht
: IN ZUKUNFT MULTIRELIGIÖS

Jetzt ist das gekommen, was die Schulverwaltung nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht vor sechs Wochen befürchtet hat: Eine weitere „religiöse Kleingruppe“ (O-Ton Schulsenator Böger) will ab dem nächsten Schuljahr Religionsunterricht anbieten: die Aleviten.

Das Hauptmotiv der liberalen und undogmatischen Muslime: Sie wollen der umstrittenenen fundamentalistischen Islamischen Föderation nicht das Feld überlassen. Das ist verständlich und muss sehr ernst genommen werden.

Doch eine Lösung ist der Vorstoß der Aleviten nicht. Ganz im Gegenteil: Durch ihre Initiative wird immer deutlicher, dass Berlin dringend eine neue Regelung des Religionsunterrichts braucht. Eine immer größere Zerplitterung des Religionsunterrichts ist kontraproduktiv und fördert nicht die Integration der Schüler unterschiedlicher Herkunft, fördert nicht die Toleranz.

Ein Wahlpflichtfach, womit der Schulsenator und die CDU liebäugeln, wäre jedoch auch rückwärtsgewandt. Dann würden zwar die einzelnen Religionsgemeinschaften auf ihre Kosten kommen, doch würde wieder jeder Schüler nur in seiner eigenen Religion unterrichtet und das auch noch per Zwang. Was Berlin braucht, ist ein Fach für alle Schüler.

Ein Unterricht ist nötig, in dem über verschiedene Religionen, über Ethik aufgeklärt und offen diskutiert wird. Ein multireligiöses Fach, wie es kürzlich einige progressive Christen vorgeschlagen haben, könnte den Konflikt in Berlin lösen und wirklich vorwärtsschauend sein.

Doch so ein Fach, welches es als Modellprojekt in Hamburg bereits an einigen Schulen gibt und ähnlich wie Lebensgestaltung/Ethik/Religion in Brandenburg strukturiert sein soll, wird auf Ablehnung der großen Kirchen stoßen. Die verlieren nämlich rapide an Einfluss, wenn auch noch andere Religionsgemeinschaften gleichberechtigt einen gemeinsamen Unterricht mitgestalten und lehren dürfen. Dennoch sollte der Schulsenator ein multireligiöses Fach nicht einfach von der Agenda wischen, sondern es als ernsthafte Alternative in Angriff nehmen. Nur ein solches Modell hat in einer multikulturellen und säkularen Stadt wie Berlin wirklich Zukunft. JULIA NAUMANN