Das Böse pfeift

Dortmund verliert 1:3 in Leverkusen und findet sich in der Schiri-Schelte endlich als Kollektiv zusammen

LEVERKUSEN taz ■ Irgendwann kommt vielleicht der Tag, an dem sie Hartmut Strampe dankbar sein werden, die wütenden Männer von Borussia Dortmund. Denn es könnte sein, dass der Niedersachse mit dem Schnäuzer ihnen bei etwas geholfen hat, was seit Monaten nicht gelingen mag: als verschworene Gemeinschaft aufzutreten. Als ein Kollektiv, das nach der fünften Niederlage in Folge ausgerechnet in Leverkusen gewonnen zu haben meinte. Zwar keine Punkte, aber Präsident Gerd Niebaum fand in gelöster Stimmung, dass es ja auch Wichtigeres gebe. Also: „Wir gehen als moralischer Sieger vom Platz.“

Sie waren sich alle einig, dass ihnen übel mitgespielt worden sei. Sehr übel. Und zwar von diesem Strampe, dem Schiedsrichter. Nach Begegnungen zwischen Dortmund und Leverkusen neigen die Beteiligten seit ein paar Jahren zum nickeligen Gezänk, die Aufeinandertreffen sind gespickt mit theatralischen Einlagen, die auf keiner Dorfbühne als glaubwürdige Darstellung durchgehen würden. Das war dieses Mal nicht anders und für Strampe entschieden zu viel, um souverän zu bewerten.

Als zum Beispiel in der 14. Minute Ulf Kirsten im Strafraum über die Beine von Stefan Reuter fiel, der ihn allerdings gar nicht berührte, gab Strampe Elfmeter und Reuter Gelb, weil der seine Sicht der Dinge darlegte. Die harte Verwarnung sollte nach einer knappen Spielstunde Folgen haben. Es stand 1:1, als Reuter wegen eines Fouls im Mittelfeld vom Platz flog.

Die Dortmunder mühten sich weiter, „kämpften ganz toll“ (Reuter), wenn nicht „unglaublich“ (Trainer Bernd Krauss), präsentierten sich „90 Minuten als Mannschaft“ (Niebaum), aber: „Wir werden einfach nicht belohnt“ (Reuter). Schlimmer noch, sie seien „klar benachteiligt“ worden, fand Jens Lehmann. Was ein gemäßigter Kommentar war, verglichen mit dem Wutausbruch von Jürgen Kohler, der mit puterrotem Gesicht tobte: „Sauerei – habt ihr das gesehen mit dem Schiedsrichter?“

Geschehen war dies: In der Schlussminute, als es durch das zweite Tor von Paulo Rink 2:1 für Leverkusen stand, übersah Strampe ein Handspiel im Leverkusener Strafraum, von dem auch der Sünder Kirsten fand, dass ein Elfmeter fällig gewesen wäre. Die Fassungslosigkeit der Dortmunder war also durchaus verständlich. Lehmann und Manager Michael Meier versuchten, nachdem Strampe als Feindbild sie alle in Klage vereint hatte, die Ereignisse sogar in einen größeren Kontext zu stellen, und memorierten Saisonspiele, in denen Dortmunder Akteure besonders unnachsichtig behandelt worden seien.

Der Nachweis systematischer Benachteiligung gelang allerdings nicht. Zugleich schien es keinem Dortmunder vermessen vorzukommen, alle Gedanken auf einen nicht gegebenen Strafstoß zu richten, als hätte es nicht zuvor 90 Minuten gegeben, um Tore zu schießen. Tatsächlich war ihnen das einmal gelungen, gleich in der dritten Minute, als Billy Reina sich gegen Jens Nowotny durchsetzte und das 1:0 erzielte. Es ist nun aber so, dass Leverkusen viel Erfahrung im erfolgreichen Aufholen von Rückständen hat. Und also machte auch die Dortmunder Führung die Spieler gar nicht nervös.

Und Trainer Christoph Daum half nach, indem er, getreu seinem Credo, dass es in der Liga „keine Mannschaft gibt, die riskanter spielt“ als Bayer, am Ende vier Stürmer auf dem Platz stehen hatte. In der Nachspielzeit veranlasste der eingewechselte Brdaric Lehmann zu einem Abspielfehler und machte das 3:1.

Eingedenk der somit erfolgreichen Verteidigung der Tabellenführung wollte sich Kapitän Nowotny da keine Nörgelei über zu wenig spielerischen Glanz anhören. Er sagte: „Das ist noch der Unterschied zwischen Bayern und Bayer. Wenn Bayern heute so gespielt hätte, hätte jeder gesagt: Das war clever.“ KATRIN WEBER-KLÜVER

Bayer 04 Leverkusen: Matysek - Zivkovic (79. Ponte), Nowotny, Ramelow (51. Schneider) - Ballack, Emerson, Beinlich - Neuville (79. Brdaric), Ze Roberto - Kirsten, Rink Borussia Dortmund: Lehmann - Reuter - Wörns, Kohler - Evanilson, Stevic, Ricken, Addo (85. Bobic), Dede - Herrlich (56. Barbarez), Reina (74. Ikpeba) Zuschauer: 22.500, Tore: 0:1 Reina (2.), 1:1 Rink (42.), 2:1 Rink (84.), 3:1 Brdaric (90.), Gelb-Rote Karte: Reuter (53.)