Kurs auf Demokratie

Kommunalwahlen in Bosnien: Linksruck bei Muslimen, Rechtsruck beiSerben. Laut ersten Angaben gewinnen Sozialdemokraten in Sarajevo

aus Sarajevo ERICH RATHFELDER

Die Kommunalwahlen in Bosnien-Herzegowina haben das Land demokratisch gespalten. In der muslimisch-kroatischen Föderation kam es zu einem Linksruck, in der serbisch dominierten Republika Srpska zu einem Rechtsruck.

Nach ersten inoffiziellen Ergebnissen, die von den Wahlbeobachtern der Parteien verbreitet werden, haben die Sozialdemokraten (SDP) in der Hauptstadt Sarajevo die Mehrheit der Stimmen bekommen. Auch in anderen Städten und Regionen mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit haben die Sozialdemokraten zugelegt. In ihrer ehemaligen Hochburg Sarajevo gestanden Vertreter der muslimischen Nationalpartei SDA ihre Niederlage schon ein. Auch in den Kroatenhochburgen muss die bisherige Nationalpartei HDZ mit Stimmenverlusten rechnen.

In der Republika Srpska dagegen zeigt sich eine andere Tendenz. In Ostbosnien konnte die ehemalige Karadžić-Partei SDS ihre Spitzenstellung nach dem Verbot der Radikalen Partei weiter ausbauen. In Banja Luka, der größten Stadt der serbischen Teilrepublik, dagegen schnitten nach ersten Tendenzen die Sozialdemokraten des Premierministers Milorad Dodik besser ab als erwartet. Offizielle Teilergebnisse gibt es heute Nachmittag.

Der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, Wolfgang Petritsch, zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf der Wahlen. Vertreter der OSZE entschuldigten Zwischenfälle am Wahltag. Weil in den Wahlkreisen neue Wahllokale eröffnet worden waren, viele Wähler jedoch zu den alten Wahllokalen gegangen waren, kam es zu tumultartigen Szenen. Die abgewiesenen Wähler hatten zunächst geglaubt, sie seien für die Wahlen nicht registriert. Laut OSZE konnten sie dann aber zu den richtigen Wahllokalen umgeleitet werden.

Der Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE ) in Bosnien-Herzegowina, Botschafter Robert Barry, wertete die Wahlbeteiligung von 70 Prozent der 2,46 Millionen Wahlberechtigten als einen großen Erfolg. Die Wahl sei ein weiterer Schritt hin zur Demokratisierung des Landes, erklärte er gestern in Sarajevo. In einer ersten politischen Bewertung erklärte Wolfgang Petritsch gegenüber der taz, es sei eine Tendenz hin zu einem politischen Pluralismus festzustellen. „In den Gebieten, wo es eine starke und ernsthafte Alternative zu den herrschenden Nationalparteien gibt, haben viele Wähler für die Alternative gestimmt.“ In den kroatischen Gebieten seien die demokratischen Alternativen noch nicht so weit entwickelt wie in den muslimischen, ebenso in der Republika Srpska. Leider hätten die Milošević-treuen Kräfte dort den Prozess des wirtschaftlichen Wiederaufbaus in den letzten Jahren verzögern können.