Gepflegt stören

Elektronische Garagensounds: Kid 606, Lesser undChristoph De Babalon beim Klangkrieg im Bastard

Elektronischer Müll ist in letzter Zeit ein viel beachtetes Genre. Produzenten, die sich vornehmlich auf Labels wie Rephlex oder DHR tummeln, benutzen ihren Maschinenpark zu allem, nur nicht zu irgendwie richtig ausgefeilten Tracks. In Zeiten, in denen Tracks mit perfekt verarbeiteten Samples und punktgenauer Beat-Programmierung geradezu inflationär geworden sind, sorgt die elektronische Musik aus der Garage für die adäquaten Störgeräusche. Das verirrte Sample, die spastische Bassdrum, verstrahlte Tonwuchtungen, nur so etwas vermag Techno die einstmals radikale Gesinnung wieder zurückzugeben.

Sendungsbewusst zieht deshalb auch gerade eine eigenartige Gruppe seltsamer elektronischer Randgestalten unter dem Banner „Spice Up Yr Wife Tour 2000“ umher. Vorneweg schon wieder ein Kid. Letzte Woche war Kid Koala, der Plattenvermurkser mit den schnellen Händchen, in der Stadt, jetzt ist es ein Kid mit dem Anhängsel 606.

22 Jahre ist der Junge gerade mal alt, und trotzdem hat er schon so viele Platten produziert, dass er das mit dem Mitzählen inzwischen nicht mehr schafft. Mal eine Maxi auf dem einen Label, mal eine Single auf einem anderen, wie man das eben so macht, wenn man als Electronic-Act keine Lust auf festgefahrene Strukturen hat.

Kid 606 hat auch keine klar definierte musikalische Ausrichtung. Er kann es beinhart brettern lassen, mit verzerrten Breakbeats und digitalem Hardcore, er liebt aber genauso das gepflegte Störgeräusch-Solo. Dieses Programm hat auch einem Herrn namens Mike Patton gefallen. Patton kennt man als ehemaligen Sänger von Faith No More, einer Band, die er in die ewigen Popgründe schickte, als sie ihn zu beengen anfing. Patton wollte lieber Solokreischplatten auf dem Label von John Zorn herausbringen und sich um seine irre Cut-up-Rockband Mr. Bungle kümmern. Auf deren letzter Tour durfte Kid 606 dann den Einheizer mimen.

Man muss sich das mal vorstellen. Da sitzt so ein Laptop-Spacken in riesigen Hallen auf der Bühne und zuckelt vor beinharten Faith-No-More-Fans mit der Mouse rum. Wahrscheinlich sind Tomaten geflogen (nicht zuletzt, weil natürlich auch Mr. Bungle nichts ist für alte Faith-No-More-Fans).

Ebenfalls im Package der Seltsam-Töner mit dabei ist Lesser aus San Francisco, der eine eigenartige Mischung aus Minimal-Noise-Techno und digitalem HipHop droppt. Damit konnte er immerhin bei Matador landen, dem extrem einflussreichen Label für Independent-Rock-Befindlichkeiten mit neuerdings erweitertem Hörsturzprogramm. Eine Qualität an sich.

Den Wahnsinn komplett macht dann Christoph de Babalon, der es liebt, angeraute Breakbeats mit vergletscherten Flächen zu verknüpfen und die ganze Sache immer schön dunkel zu halten. De Babalon ist Vorzeige-rtist auf Alec Empires Label Digital Hardcore Recordings, und das hört man. Außerdem ist er Neuberliner. Willkommen daheim.

ANDREAS HARTMANN

Heute, 22.30 Uhr, im Bastard @ Prater, Kastanienallee, Prenzlauer Berg