Lachen, weil die Mutter tot ist

Die Agentur „Cool Kids“ bietet Schaupielunterricht für Kinder und Jugendliche an und vermittelt Castings in Film und Werbung. Die erste Lektion lautet: Es kommt nicht immer darauf an, was man sagt, sondern wie man es sagt

von ANNETTE ROLLMANN

Selin ist elf Jahre alt. Sie trägt zwei lustige Zöpfe, die ihr bis zum Becken reichen und bei jeder Bewegung mithüpfen. Über ihren weißen Blendamed-Zähnen zeigt sie ein breites Zahnspangenlachen. Ein wenig kokett. Und ziemlich selbstbewusst. Selin ist Model und will Schauspielerin werden. Und so spricht sie in die Kamera, was jeder von einem Star erwarten kann: „Hallo, ich bin Claudia Schiffer. Und ich liebe das Modeln auf dem Laufsteg.“ Noch einmal lächeln, ein gekonnter Hüftschwung und ab.

Die Agentur Cool Kids hat in Mitte eine Schauspielschule eröffnet, in der sieben bis 25-jährige die Grundlagen für eine Karriere vor der Kamera lernen. Selin ist ein Kind davon. „Ich will lernen, mich richtig gut auszudrücken.“ Als Model hat sie schon für Coca-Cola gelacht und ist für Adidas gelaufen. Nach Altersgruppen getrennt und mit maximal zehn Teilnehmern in einem Kurs üben die Kids atmen, Texte vortragen, mit Gestik und Mimik zu arbeiten, das Körpergefühl durch Tanz zu stärken. Also, auf Zehnspitzen so zu gehen, als hätten sie „einen Stock verschluckt“.

„Soo, jetzt sagt ihr etwas ganz Trauriges ganz besonders lustig“, trägt Schauspielerin Ulrike Schirm gedehnt vor. „Meine Mutter ist tot“, kichert dann wenig später ein Mädchen vor sich hin. Dabei hält sie sich zunächst schamhaft die Hand vor den Mund. „Oh schön, mein Opa ist gestorben“, sagt anschließend ein Junge. Dabei klopft er sich vor Vergnügen auf die Schenkel. Schließlich lacht die ganze Kinderrunde. In fünf Minuten sterben nicht nur Eltern und Großeltern, sondern alle Haustiere aus Kinderträumen. Die Kinder prusten. „Ihr seht, es kommt nicht immer so sehr darauf an, was man sagt, sondern wie man es sagt“, erklärt Schirm. Der Grundkurs, der einmal wöchentlich stattfindet und über sechs Monate geht, kostet monatlich 145 Mark. Außerdem wird Steppen und Pantomime sowie ein Showbusiness-Kurs und Camera-Posing für Fotomodelle angeboten.

Die Agentur Cool Kids arbeitete bislang als reine Vermittlungsagentur für Castings von Kindern und Jugendliche für Film und Werbung. „Der Markt hat sich enorm erweitert. Es gibt immer mehr Produktionen in Berlin“, sagt Geschäftsführerin Cindy Jeme.

Jeme nimmt nur Kinder für die Vermittlung zum Casting an, „die es auch wirklich wollen. Wenn die Kinder sich sperren, werden sie ohnehin bei keinem Casting gebucht. Sie wirken dann verkrampft.“ Die Kinder müssten gerne im Mittelpunkt stehen, extrovertiert und neugierig sein. Einen Starkult wie in Amerika üblich, befürchtet Jeme in Deutschland nicht. „Letztlich ist es aber Sache der Eltern, dafür zu sorgen, dass die Kinder die Bodenhaftung nicht verlieren.“

Gefragt seien nicht nur „hübsche“ Kinder, sondern vor allem sogenannte „Typkinder“. Jungs mit Sommersprossen und abstehenden Ohren oder Mädchen, die ein bisschen pummelig sind. Für eine professionelle Setkarte zahlen die Kunden 150 Mark, wobei die Agentur auch private Bilder akzeptiert. Bei Buchung liegen die Gagen bei 100 bis 300 Mark pro Tag. Davon nimmt die Agentur 15 Prozent. Selbstverständlich werde streng auf die gesetzlichen Regelungen geachtet, sagt Jeme. Kleine Kinder dürften nicht länger als zwei Stunden pro Tag arbeiten.

Die Eltern bringen ihre Kinder aus ganz Berlin zum Casten und in die Schauspielschule. So auch Selins Mutter, die einen Kosmetiksalon hat und diesen extra für den Nachmittag schließt. Mutterträume, die zum Tochterleben werden. „Selin muss kein Star werden. Aber wenn es doch passiert – das wäre schön.“