Ein Sohn der Provinz

Wurstsemmeln zu Fischbrötchen: Sat.1 schickt Ottfried Fischer als Boulevardjournalisten nach St. Pauli („Der Pfundskerl“, 20.15 Uhr)

Können Sie über den hier lachen: „Ich bin der Gottfried Engel aus L. A.“ – „Aus L. A.?“ – „L. A. – Landshut, Niederbayern.“ Können Sie? Dann sind Sie hier richtig.

Denn Gottfried ist wirklich der Engel von Landshut, genauer gesagt vom Landshuter Boten, den es in Wirklichkeit natürlich nicht gibt. Und der Herr Engel, Starjournalist aus der Provinz, gerät ins große, wilde Hamburg zur Boluevardpostille Blitz Express, die es natürlich genauso wenig gibt, und sorgt dort als „Pfundskerl“ für knallharte Schlagzeilen aus dem Milieu, das in Hamburg logischerweise St. Pauli heißt.

Dortselbst hat der Besitzer einer schangeligen Tanzbar gerade zum letzen Mal die fahlen Lippen mit waschechtem Bourbon genetzt, alles sieht so schön nach Selbstmord aus, dass nur die Polizei drauf reinfällt – und die Auflösung des Ganzen verrät schon der Titel der ersten Folge, so dass selbige auch hier nicht verschwiegen werden soll: „Tote buchen keinen Urlaub“. Eben.

Den „Pfundskerl“ verkörpert übrigens kein Geringerer als Ottfried Fischer, und deswegen beschleicht den geneigten Zuschauer schon bald die Ahnung, hier habe sich der „Bulle von Tölz“ eher versehentlich in den kühlen Norden verirrt: Der Chefreporter Engel arbeitet genauso dickfellig-gemütlich wie daheim der Kommissar Berghammer, und nur selten, zu selten, blitzt ein bisschen vom Kabarettisten Fischer auf.

Routiniert bedienen die drehbuchgewaltigen Rolf-René Schneider und Wolfram Winkler dagegen alle Klischees in Sachen Boulevardzeitung: Der Chefredakteur (richtig gut: Dietrich Mattausch) hat natürlich ein Häuschen auf Sylt und eine Affäre mit Redaktionsküken Alexandra, der Fiese ist immer der stellvertretende Chefredakteur (zu aufgesetzt: Max Volkert Martens), und nur Fotograf Bruno (Jan Sosniok) läuft nicht den ganzen Tag im Anzug rum.

Dafür entwickelt er sich schnell zu einer Art Ersatz-Watson für den dicken Sherlock Engel, und beide kommen mit Brunos original Londoner Taxi ganz schon rum im Kiez. – Vermutlich hatte Sat.1 für den „König von St. Pauli“ und die „Rote Meile“ so viele Drehorte gefunden, dass noch Kulisse übrig war.

Von der „Großen Freiheit“ gibt’s also dezenten Strip und jugenfreie Fleischbeschau, der Rest der Handlung rollt gemächlich wie bei Edgar Wallace: Engel trappst ganz zufällig immer dorthin, wo die Beweise liegen, erringt das Vertrauen der mysteriösen Nachtcluberbin (verschenkt: Nina Petri), und weil die Geschichte sonst abstürzen würde, hat er fürs Finale noch einen original niederbayerischen Bekannten im Polizeipräsidium, der die Beweisfotos rüberschiebt.

„Der Pfundskerl“ läuft heute übrigens an Stelle von „Kommissar Rex“, doch wegen der kongenialen Alpennähe des Herrn Fischer werden’s die Zuschauer schon gelassen nehmen, auch wenn man ständig „Wurstsemmel!“ brüllen möchte. Aber daraus wird nichts, wir sind ja in Hamburg. Dafür sagt der Chefredakteur nach der Hälfte des Films zum Jungredakteur endlich das, worauf wir die ganze Zeit gewartet haben: „An diesem Text, junger Freund, fehlt vor allem eins: Fakten, Fakten, Fakten.“

An die Leser denkt dabei zum Glück niemand, und auch im zweiten „Pfundskerl“, der bei Gefallen wohl zur festen Sat.1-Größe werden dürfte und der am kommenden Mittwoch (21.15 Uhr) „Stockinger“ ersetzt, wird knallhart bajuwarisch recherchiert.

Warum nur ist ausgerechnet der stellvertretende Redaktionsleiter Lesche so’ne fiese Charakter? Beziehungsweise: Hieß so nicht auch vor Jahren der erste Chefredakteur beim Sat.1-Lieblingskonkurrenten RTL? stg