Die Einheitsgröße

Der amerikanische GI ist vom US-Kongress zur Person des Jahrhunderts erklärt worden. Begründung: Er habe den Lauf der Geschichte verändert

Eigentlich ist der Job schon vergeben: Wer die Persönlichkeit des Jahrhunderts sei, hatte das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Time schon im vergangenen Sommer seine Leser gefragt. In der letzten Ausgabe des Jahrtausends wurde der Sieger enthüllt: Nicht Elvis, nicht Gandhi, nein, Albert Einstein war der Mann des Jahrhunderts. Nachdenklich blickte der geniale Physiker vom Titelblatt, Triumph und Terror der Wissenschaft in einer Person vereinigt.

Eine respektable Entscheidung? Durchaus, finden wir, doch jetzt wurde zu unserem Erstaunen die Wahl von höchster Stelle korrigiert: Der US-Kongress meldete sich mit mehr als dreimonatiger Verspätung zu Wort und verabschiedete einstimmig eine Resolution, der zufolge der amerikanische GI die Person des Jahrhunderts sei. Nicht ein stets ungekämmt herumlaufender zerstreuter Professor, sondern ein echtes Mannsbild, das in zwei Welt- und vielen Kleinkriegen die Freiheit und das Vaterland verteidigt habe. „Der amerikanische GI hat den Lauf der Geschichte verändert, denn er hat dazu beigetragen, Faschismus und Kommunismus zu besiegen“, begründete der Abgeordnete Ike Skelton aus Missouri die Resolution, deren Text die GIs sich jetzt sicher in ihre Spinde hängen werden. Ansonsten bringt sie ihnen wenig, weder ein besseres Salär für die Schinderei im Trainingslager, noch den politicos in Washington mehr Einsicht, wenn diese über den Einsatz ihrer Jungs abzustimmen haben.

Der GI ist ein Anachronismus, selbst sein Name deutet darauf hin: Er kommt von „General Issue“, der Einheitsgröße bei der Rekrutenkluft, die mal besser, mal schlechter an Hüften und Beinen saß. Befehl und Gehorsam leitet den Alltag der Rekruten, das gilt für die Kleidungsgröße wie für die oft fragwürdigen Missionen, zu denen sie entsandt wurden und werden. Gesellschaftlich hat dieses Prinzip sich als praxisuntauglich erwiesen.

In fremde Länder kommen amerikanische Männer heute nicht mit Seesack und Gewehr, sondern dank geschickter Aktieninvestments mit dem Kreuzfahrtschiff oder in der Businessclass exotischer Airlines. Nach Vietnam etwa, wo GIs per Gruppenreise an Land gehen und eher ihre Traumata bekämpfen als den Vietcong. Oder in die Dominikanische Republik, wo nicht mehr rebellische Präsidenten gestürzt werden, sondern harte Drinks im All-inclusive-Ressort.

Die in Vorwahlzeiten um pathetische Gesten selten verlegenen Abgeordneten ficht dies nicht an, und die GIs müssen sich fragen lassen: „Who needs enemies with friends like these?“

STEFAN SCHAAF