Äthiopische Juden belagern Israels Konsulate

26.000 Falasch warten in Flüchtlingscamps auf ihre baldige Ausreise. Israels Innenminister dämpft Hoffnungen und prüft vor Ort

BERLIN taz ■ In Äthiopien warten 26.000 Menschen darauf, nach Israel ausreisen zu dürfen. Sie gehören zu den Falasch-Mura, äthiopischen Juden, die vor hundert Jahren zum Christentum konvertierten. 18.000 von ihnen haben ihre Dörfer verlassen und sind in Flüchtlingslager rund um die Konsulate Israels in Addis Abeba und Gondar gezogen.

Die Versorgung der Lager ist miserabel. Äthiopische Offizielle drängen deshalb auf eine schnelle Entscheidung. Sie haben schon genug Probleme mit der Hungersnot und dem Krieg mit Eritrea. Am Sonntag ist der israelische Innenminister Natan Scharansky nach Addis Abeba geflogen, um den Ausreisewunsch der Menschen „zu prüfen“.

Israel versteht sich als späte Heimstatt der im Verlauf der Geschichte auf alle Kontinente verteilten Juden. Die Rückkehr ins Land der Religionsväter ist deshalb per Gesetz jedem Menschen jüdischen Glaubens oder jüdischer Herkunft erlaubt – letzteres ist im Fall der äthiopischen Juden entscheidend. Formal wird kein Unterschied gemacht zwischen europäischen Juden, den Aschkenazim, und den orientalischen Sephardim.

Eine Million Menschen ist seit 1990 nach Israel ausgewandert, die meisten von ihnen kamen aus Russland. Die Bevölkerung Israels stieg auf sechs Millionen. Im letzten Jahr schnellte die Einwanderunsquote auf die Rekordhöhe von 35 Prozent. Seit der israelische Geheimdienst 1984 in der „Operation Moses“ 6.000 Falasch ausflog, sind rund 50.000 äthiopische Juden nach Israel ausgewandert. 13.000 sind bereits dort geboren.

Doch die orientalischen Juden fühlen sich in Israel häufig als Bürger zweiter Klasse. Als 1996 bekannt wurde, dass das israelische Gesundheitsministerium sämtliche Blutspenden von äthiopischen Juden wegen angeblicher Aids-Gefahr weggeschüttet hatte, gingen hunderte Sephardim gegen ihre soziale Benachteiligung auf die Straße.

Das israelische Innenministerium hat jetzt die Hoffnungen der Falasch in Addis Abeba und Gondar gedämpft. Bei vielen der ausreisewilligen Menschen ließe sich die jüdische Herkunft nicht verifizieren. Von religiösen Riten und Gesetzen des Judentums hätten sie kaum oder keine Kenntnis. Viele gäben sich zudem als Juden aus, um Armut und Hunger zu entfliehen. So will Israel nur jenen die Einreise erlauben, die bereits Verwandte in Israel haben. Der Traum vom Einzug ins Land der Väter könnte so nur für gerade einmal 5.000 der Wartenden wahr werden.

FLORIAN HARMS