Ah ja, so, so

Statt Brit-Pop-Angebereien geben Embrace nun bescheideneres Musikerzeug von sich. Und scheitern an sich selbst  ■ Von Felix Bayer

Selten hat ein Video Fluch und Segen einer Band so treffend gezeigt wie der Clip zu “You're Not Alone“, der aktuellen Single von Embrace. Über einen reißenden Wasserfall ist ein Seil gespannt, auf dem die fünf Bandmitglieder balancieren. Natürlich sind die punktgroßen Menschen, die man aus den dramatischen Hubschrauberperspek-tiven sieht, Stuntmen. Das hätte man sich denken können, aber man sieht es auch: Denn in den Close-Ups auf die heftig armwackelnden Musiker, deren Gesichter panische Angst und zugleich Entschlossenheit ausdrücken sollen, erkennt man leider nur mangelndes Schauspieltalent.

Nun sind Embrace ja Musiker und keine Schauspieler, da wollen wir ihnen keinen Strick draus drehen. Aber typisch für Embrace ist es schon: Sie suchen stets die große, dramatische Geste und scheitern doch immer wieder an sich selbst. So war es beim Debütalbum The Good Will Out, das epische Streicherarrangements vorwies, aber trotzdem die Interviewankündigungen des Sängers Danny McNamara nie erfüllen konnte: Größer als Oasis? Nun ja, nicht ganz – trotz Platz 1 in den britischen Albumcharts.

Für das zweite Album Drawn From Memory hat sich Danny selbst zurückgepfiffen. Ausführlich redet er davon, wie es war, in einem abgeschiedenen Landhaus aufzunehmen, wie sie fast alles live eingespielt haben, wiewenig Takes sie brauchten, bis dieser und jene Song stimmte, wie sie jetzt mehr eine Band sind, wie das diesmal mehr ein ganzes Album ist und nicht nur eine Songsammlung, wie wichtig die Reihenfolge der Lieder ist. Kurz: Er redet so Musikerzeug und nicht so (Brit-)Popstarzeug.

Und das ist doch schade, weil auf der Platte wirklich schöne Lieder sind, die es schaffen, genau so knapp vor der Platitüde halt zu machen, um so universell zur Identifikation einzuladen, wie es richtig guter Pop tun muss. Titel wie „You' re Not Alone“, „Save Me“ oder „I Wouldn't Wanna Happen To Me“, die sagen schon alles. Na ja, fast alles. Aber weitergehende Erklärungen sind von Danny McNamara nicht zu erwarten: „Die Texte kommen eben von Herzen; ich versuche in ihnen so ehrlich und offen wie möglich zu sein.“ Ah ja, so ,so.

So hat das Gespräch eigentlich nur einen erhellenden Moment. Als Danny McNamara als seine Vorbilder den Komödianten Bill Hicks und den Boxer Muhammed Ali nennt, muss die Zwischenfrage kommen, wieso er dann ausgerechnet Popsänger geworden sei. Da fährt Dannys Bruder Richard dazwischen: „Weil er weder komisch noch stark ist!“ Und während die Brüder darüber lachen, wird klar, dass Embrace unter sich ganz anders funktionieren muss, als es die verstockte Außendarstellung glauben macht.

Weil Pop so funktioniert, dass Fans einer Band viel besser ahnen welche Gefühle in Liedern stecken, als es Journalistenfragen aus Musikern herausbekommen, schwärmen Zeugen von dem fantastischen Gemeinschaftsgefühl, das bei Embrace-Konzerten in England herrscht. Und selbst im halbleeren Grünspan war bei der letzten Tournee davon etwas zu spüren, als die Band das Lied „One Big Family“ spielte. Just dorthin kehren Embrace nun zurück, mit den Songs der neuen Platte, die sie selbst „rührender, einfach besser“ finden. Nicht zu Unrecht.

Deshalb ist es auch gut, dass im Video Stuntmen über den Wasserfall balancieren. Denn am Ende reißt das Seil und fünf Menschen fallen in die Tiefe.

Mo, 17. April, 21 Uhr, Grünspan