Der Erfolglose

Fußballtrainer Bernd Krauss ist der bislang erfolgloseste Trainer der Saison. Sein Stuhl wackelt. Dabei ist er eigentlich ein ganz netter Kerl

Der arme Kerl! Wenn er jede Woche so dasitzt und mit seinen treuen Dackelaugen ins trübe westfälische Nichts blickt, dann möchte man ihn am liebsten knuddeln und ganz feste drücken und irgendetwas Liebes zu ihm sagen.

Dabei hätte eigentlich Borussia Dortmund nichts Besseres passieren können als Bernd Krauss – und Bernd Krauss nichts Besseres als Borussia Dortmund. Der Mann kann, das ist beim BVB bitter nötig, langfristig eine neue Mannschaft aufbauen. Er kann, in diese Richtung soll’s beim BVB zukünftig gehen, nachweislich mit jungen Leuten umgehen. Und er spricht, auch das war beim BVB nicht immer so, die Sprache der Spieler. Manch linguistischem Feingeist mag sein bewusst schnoddriges Revier-Idiom ein wenig aufgesetzt erscheinen. Aber wiewohl er in seiner Karriere als Teilzeit-Österreicher, Fast-Niederrheiner und Beinahe-Baske verschiedensten Sprachgewalten ausgesetzt war, ist sein Dialekt von der unverfälschten Ehrlichkeit der Marke „Südkurve“ geblieben. Was Wunder: Krauss hat im legendären Stadion „Rote Erde“ seine ersten Bundesligaspiele gesehen. Krauss hat im BVB-Dress sein erstes Bundesligaspiel absolviert. Und Krauss ist in Dortmund geboren.

Weil er zudem unter all den Hampelmännern und Augenrollern und Brüllaffen der Trainergilde zu der Mini-Fraktion der angenehmeren Gestalten gehört, war Bernd Krauss bei seinem Amtsantritt mit offenen Armen begrüßt worden. Doch statt das Feld von hinten aufzurollen, kickt sich der Weltpokalsieger von 1997 seit Wochen konsequent den Abstiegsrängen entgegen. Ob Bundesliga, DFB-Pokal oder Uefa-Cup: Krauss hat in der Rückrunde mit seinen Jungs noch kein einziges Spiel gewonnen. Dafür die schlechteste Rückrundenbilanz aller 18 Clubs erspielt und die wenigsten Tore geschossen.

Die Gerüchte, der glücklose Übungsleiter werfe selbst entnervt hin oder werde achtkantig hinausgeworfen, halten sich hartnäckig. Dabei trifft den hilflosen Coach wohl die geringste Schuld am schwarz-gelben Desaster. Das Problem ist vielmehr die Mannschaft: eine arrogante Armada von Arschgesichtern, die für Hochmut, Eitelkeit und Egoismus derzeit die Quittung bekommt. So geht das jetzt schon seit Wochen. Der BVB verliert, der Fanblock wütet, der Trainer guckt traurig und zwingt sich zum Schauspiel von Ruhe und Gelassenheit. Doch in Wahrheit geht ihm ganz gehörig die Düse. Der Abstieg würde wohl auch das Ende des Bundesligatrainers Bernd Krauss bedeuten. Einen derart mordsmäßigen Loser möchte schließlich niemand haben. HOLGER JENRICH