Vollstes Vertrauen in Russland

Vor allem Deutschland war gegen die Forderung nach einer Untersuchung durch eine internationale Kommission

aus Genf ANDREAS ZUMACHaus Berlin KARIN NINK

Der UNO-Menschenrechtskommission in Genf liegt seit gestern ein Entwurf der EU für eine Resolution zum Thema Tschetschenien vor. In dem Entwurf wird lediglich die Einrichtung einer unabhängigen nationalen russischen Kommisson zur Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen russischer Truppen im Tschetschenienkrieg verlangt. Auf die Forderung nach einer Untersuchung durch eine internationale Kommission verzichtet die EU.

Gegen diese Forderung war vor allem Deutschland, unterstützt von Großbritannien. Für die Forderung nach einer internationalen Untersuchungskommission hatten sich seit Beginn der EU-internen Beratungen um eine gemeinsame Position in der UNO-Menschenrechtskommission sechs der 15 EU-Staaten (Schweden, Dänemark, Irland, Niederlande, Belgien, Luxemburg) eingesetzt. Ein entsprechender, ursprünglich von Schweden verfasster Resolutionsentwurf liegt der taz vor.

Auch Human Rights Watch, amnesty international und andere internationale, russische und tschetschenische Menschenrechtsorganisationen hatten angesichts der schlechten Erfahrungen mit den bisherigen nationalen Aufklärungsbemühungen der Regierung in Moskau eine internationale Untersuchungskommission für unverzichtbar erklärt. Inzwischen haben sich auch Kanada, die Schweiz und andere Mitgliedsstaaten der Genfer UNO-Kommission dieser Forderung angeschlossen. Die Direktorin des Brüsseler Europabüros von Human Rights Watch, Lotte Leicht, bezeichnete den Entwurf der EU als „sehr schwach“ und warf der EU „Naivität“ und „Zynismus“ vor (siehe Interview). Ähnlich äußerten sich in Genf auch VertreterInnen anderer Menschenrechtsorganisationen. Ob die EU ihren Entwurf für einen Resolutionantrag tatsächlich bis zum Datum der möglichen Abstimmung unter den 53 Mitgliedsstaaten der UNO-Kommission am 18. April aufrecht erhält, ist offen. Derzeit verhandeln EU-Diplomaten mit Russland auf der Basis dieses Entwurfes um eine einvernehmliche Erklärung, die – wenn sie zu Stande kommt – vom Vorsitzenden der UNO-Kommission verlesen würde. Nach allen Erfahrungen der Kommission wird ein Entwurf im Laufe derartiger Verhandlungen noch weiter abgeschwächt.

Das Auswärtige Amt in Berlin wies die gestern in der taz zitierte Kritik an der Tschetschenienpolitik von Bundesaußenminister Joschka Fischer scharf zurück. Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und Diplomaten aus EU-Staaten hatten Fischer vorgeworfen, er habe eine kritischere Haltung der EU und eine Resolution zu den russischen Menschenrechtsverstößen mit der Forderung nach einer internationalen Untersuchung „systematisch hintertrieben“. Diese „offensichtlich wider besseren Wissens aufgestellte Behauptung“ sei „haltlos und nachweislich falsch“. Den von der taz im Detail geschilderten Ablauf der EU-internen Beratungen der letzten Wochen dementierte das AA nicht. Rudolf Bindig, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und Berichterstatter im Europarat für die russische Föderation, sagte gegenüber der taz, es sei „wünschenswert“, dass nationale und internationale Beobachter in Tschetschenien tätig würden. Dieser „Grundgedanke“ sei aber in dem Resolutionsentwurf der EU enthalten. Als „unverständlich“ bezeichnete Bindig die Tschetschenienreise von BND-Chef August Hanning.

Der Sprecher der Unionsfraktion für Menschenrechtsfragen und humanitäre Hilfe, Hermann Gröhe, forderte: „Bei der sehr großen Verweigerungshaltung Russlands, die internationale Völkergemeinschaft genau hinschauen zu lassen, muss sichergestellt werden, dass die internationale Gemeinschaft uneingeschränkt Zugangsrechte hat.“