Wandertag gegen Nachsitzen

In Berlin gehen zehntausende Lehrer, Schüler und Eltern gegen die Bildungsmisere auf die Straße. Politiker wollen trotz Protests eine zusätzliche Unterrichtsstunde für Lehrer erzwingen

BERLIN taz ■ Ein Streik Berliner Lehrer hat sich gestern zu einer Demonstration gegen die Bildungspolitik insgesamt entwickelt. In der Hauptstadt streikten nicht nur tausende Lehrer und Lehrerinnen – insgesamt gingen rund 60.000 Menschen auf die Straße, darunter viele SchülerInnen und ihre Eltern. Am „bisher größten Lehrerstreik“ nahmen nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) etwa 12.000 Lehrer teil.

Die Demo richtete sich konkret gegen die Einführung einer zusätzlichen unbezahlten Unterrichtsstunde pro Woche. Schulsenator Klaus Böger (SPD) räumte eine teilweise „saumäßige“ Situation an den Berliner Schulen ein, der Streik sei aber dennoch rechtswidrig.

Wie in anderen Bundesländern auch sind die 33.000 Berliner LehrerInnen hoffnungslos überaltert. Das Durchschnittsalter liegt bei 46,3 Jahren. Lehrernachwuchs kommt wegen der angespannten Situation kaum noch in die Schulen. Die GEW forderte die Neueinstellung von 1.900 LehrerInnen. Die SchülerInnen verlangten eine bessere Austattung ihrer Schulen. „Wir wollen nicht zu Idioten ausgebildet werden“, und „Unsere Schulbücher sind der letzte Schrott“, hieß es auf selbst gemalten Plakaten. Für viele war es die erste Demonstration überhaupt.

Schulsenator Böger drohte den streikenden LehrerInnen mit Geldbußen und Gehaltsabzügen, schließlich sind Streiks für Beamte verboten. Die Erhöhung der Arbeitszeit werde kommen, betonte er. Die Stundenerhöhung soll heute im Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen werden.

JULIA NAUMANN

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