Ganoven-Eleganz ohne Ganoven

Perfekte Selbstinszenierung: Am Mittwoch Abend öffnete Ben Beckers Nachtklub „Trompete“ am Lützowplatz. Er selbst war nirgends zu sehen. Dafür zeigte sich Westberliner Frontstadtpublikum im kühlen Neue-Mitte-Interieur

von Kirsten Küppers

Der Schauspieler und wilde Hund Ben Becker macht jetzt einen Nachtklub am Lützowplatz. Das Lokal heißt „Trompete“. Theaterleute können so was: einem Ort einen Namen geben, der gleich richtig Stimmung produziert. In der Gaststätte sollen Konzerte und Lesungen stattfinden. Inzwischen sollen auch alle rein dürfen. Letzte Woche hatte es zunächst eine Eröffnungsparty mit Prominenten gegeben, wonach die „Trompete“ wieder zumachte. Es war noch nicht alles fertig gebaut. Am Mittwoch wollte der Klub dann nach Renovierungsarbeiten für normale Gäste öffnen. Trotzdem klebt an diesem Abend am Eingang ein „Heute Privatparty“-Schild. Der Holzfällerhemd-Türsteher spricht Amerikanisch und kann überredet werden.

Drinnen ist alles dunkel und teuer. Es gibt breite Ledersessel und den Geruch nach neuem Holz. Dazu läuft Tangomusik. Er habe immer von einer Bar im Stil der alten Melville-Filme aus den 60er-Jahren geträumt, soll Ben Becker laut dpa zur Inneneinrichtung seines Lokals gesagt haben. Tatsächlich ist hier nichts dem Zufall überlassen. Für Ganoven-Eleganz sorgt ein abgehalfterter Krimi-Schauspieler an der Theke, für die Becker-Inszenierung eine zerschlissenes Originalkostüm hinter Glas. Becker selbst ist nicht zu sehen. Immerhin zeigte die BZ kürzlich ein Foto von Becker. Er hielt seine neue Freundin und Managerin Anne Seidel im Arm. Die Beiden freuten sich, weil Anne Seidel schwanger ist. Ben Becker sagte, er sei Anarchist. Sympathisch war, dass er auf dem Foto eine Wollmütze mit der Aufschrift „Suff“ trug. Dass Becker trotz Mütze jetzt nicht in seinem Nachtklub steht, ist nicht sein Fehler, sondern das Prinzip von Kneipen in Prominentenbesitz. Arnold Schwarzenegger sitzt schließlich auch nicht jeden Abend im Planet Hollywood.

Dafür hat sich in einer mit Kuhfell tapezierten Sitzecke der „Trompete“ ein Atze-Brauner-Lookalike eingenistet. Ben Becker hat sich seine Kneipe eigentlich für ein „jugendliches Publikum“ gedacht, sagt dpa. Mein Begleiter behauptet indes, bei den Gästen rieche er „die Immobilienbranche tausend Meter gegen den Wind“. Tatsächlich sieht das Publikum nach alter Westberliner Frontstadtschickeria aus, während das kühle Design der Gaststätte eher nach Berlin-Mitte passt. Ein älterer Mann zieht zum Bezahlen seines Cocktails („Bitte wat Sauret, wo ick schlafen kann“) ein Bündel Scheine aus der Hosentasche und jodelt, wenn die Bedienung ein Glas runterschmeißt. Später sagt er noch, er kenne das Leben.

Ben Becker kennt das Leben auch. Das sieht man, weil an den Wänden große Fotos der bekannten kubanischen Altmusiker hängen. Auf einem Bild zündet sich Becker gemeinsam mit einem Compañero eine Zigarre an. Zigarren gibt es an der Bar, Anarchisten und kubanische Helden nicht. Dafür wird man bei zu viel Stilbewusstsein paranoid. Auf einem Eisbehälter liegt scheinbar zufällig ein Lederknopf. Vor dem geistigen Auge spult ein Film mit Sex, Gewalt und Gangstern in Pfeffer-und-Salz-Mänteln ab. Als das düstere Gespräch beim Manhattan-Projekt und Los Alamos endet, gehen wir.