Särge selbst bemalt

Kunst im Angesicht des Todes: Für eine Kreuzberger Bestatterin sind Party und Sterben keine Gegensätze

Von der Wand des Verkaufsraums prangen die berühmten drei Affen. Nichts sehen, nichts hören, nicht darüber reden: Die meisten Menschen sind froh, wenn sie sich nicht mit dem Tod auseinandersetzen müssen, glaubt Claudia Marschner. Wer Sterben und Vergänglichkeit thematisiert, davon ist die Bestatterin überzeugt, rührt noch immer an gesellschaftliche Tabus.

Die 33-Jährige, die in der Kreuzberger Fidicinstraße ein Bestattungsinstitut neuen Typs betreibt, reibt sich gerne an Konventionen. Groß, kurze Haare, dunkle Stimme – eine Bestattungsunternehmerin, die gerne lacht und sich nicht von Alltagsproblemen vereinnahmen lässt. Partylaune und Tod sind für Marschner kein Gegensatz. Doch bei vielen Menschen stößt sie mit ihrer Einstellung auf Unverständnis. Auf einer Party unterhielt sie sich kürzlich angeregt mit einer Frau – bis das Gespräch auf den Job kam. „Dabei ist der Tod doch auch ein Lebensthema. Die Frage ist, welche Prioritäten ich im Angesicht des Todes in meinem Leben setze.“

Ihren Laden in der Fidicinstraße hat Marschner in warmen, hellen Tönen gestrichen. Kreuze und Bibelsprüche sucht man hier vergeblich. Statt dessen Kunst und ein Designerschrank. In der Ecke des Raumes steht ein plüschbezogener Sarg in Rosa und Himmelblau. Ähnlich farbenfroh sind die Urnen für die Feuerbestattung. Ob Rattan-Sarg oder die Variante aus Holz, lackiert oder natur – die Auswahl ist groß. „Ich arbeite nur mit autorisierten Sargherstellern zusammen“, betont Marschner. Trotz aller Kreativität – das Geschäft lebt von der Seriösität.

Es sind keineswegs nur die Exaltierten, die den Weg in den kleinen Laden am Platz der Luftbrücke finden. Frauen, deren Partner gestorben ist. Eltern, die ihr Kind verloren haben und keine triste Beerdigung in Schwarz wollen. An dem Bestattungsinstitut, in dem sie früher gearbeitet hat, störte Marschner vor allem die Routine im Umgang mit dem Tod. „Das Einzige, was zählte, war der Umsatz. Dort ging es zu wie am Fließband.“ Für Individualität und echte Gefühle blieb kein Raum.

Wer will, kann bei Marschner den Sarg selbst bemalen. Zu fünft oder sechst sitzen Freunde und Angehörige dann im Nebenraum zusammen, haben Kekse und Getränke mitgebracht und erinnern sich beim Malen an den Verstorbenen. „Eine letzte Ehrerweisung und eine besondere Form des Abschiednehmens“, glaubt Marschner. Sie selbst war vierzehn, als die Mutter starb. Ihre Traurigkeit schob sie damals beiseite – sie hatte genug Probleme mit dem Erwachsenwerden. Zehn Jahre später holte sie der Schmerz mit umso größerer Wucht ein. Die Arbeit im Bestattungsinstitut war für Marschner auch ein Stück verspäteter Trauerarbeit.

Doch oft muss sie Angehörige erst ermutigen, die Trauerrede selbst zu schreiben oder die Lieblingsmusik des Toten auszuwählen. Viele, die zu ihr kommen, wollen die Beerdigung rasch hinter sich bringen. „Die müssen erst lernen, traurig zu sein.“

Rund 4.000 Mark berechnet Marschner im Schnitt für eine Beerdigung. Je mehr die Familie selbst organisiert, desto billiger ist die Bestattung.

Allein, manche Friedhofsverwaltungen sperren sich gegen allzu eigenwillige Wünsche der Angehörigen. „Gerade evangelische Friedhöfe sind da nicht immer tolerant.“ NICOLE MASCHLER