Chill out

Eine Kurzgeschichte von Katrin Schings

– Wenn man ein paarmal mit so einer, kann man gar nicht mehr anders.

– Keine Ahnung, ich hab’ keinen Versuch mehr unternommen.

– Angenehm, mal mit jemandem reden zu können, der vom Fach ist. Wann haben Sie angefangen, ich ca. vor einem Jahr. Stellen Sie sich vor, ich war natürlich geizig, war ja nur zum Ausprobieren, dann hatte die im Loch eine fette Naht. Ich wollte aber unbedingt, sie können sich ja denken, wie ich hinterher aussah.

– Oh Gott, Sie Ärmster!

– Der hab ich’s gegeben. Dann sofort weggeschmissen. Den nächsten Tag bin ich nicht zur Arbeit, so fertig war ich. Solche Probleme kennen Sie nicht, oder?

– Nein, tatsächlich, solche Blessuren habe ich mir bei Evi noch nie zugezogen.

– Evi?

– Hat Ihre keinen Namen?

– Nee. Doch, blöde Fotze natürlich. Evi, Sie sind ja ein Spaßvogel. Nehmen Sie noch was, geht auf mich.

– Gern.

– Noch ein Bier und ein Rotwein, bitte. Welche Sorte?

– Chianti.

– Chianti.

– Vielen Dank.

– Keine Ursache. Bei der nächsten hab’ ich tiefer in die Tasche gelangt. Die war dann richtig aus Latex, gefühlsecht stand auf der Packung drauf, naja, was wissen die schon.

– Wie sieht Ihre aus?

– Ich hab’ das Schlitzaugenmodell. Die halten mehr aus, bilde ich mir ein.

– Echt?

– Einmal hatte ich eine Blonde, die ist gleich gerissen. Hatte aber größere Titten.

– Machen Sie mit denen was?

– Quetschen, was sonst, Sie?

– Streicheln.

– Hab’ ich auch erst, aber dann waren die Nippel immer gleich eingedrückt, hat eben keinen Sinn. Welches Modell haben Sie?

– Offenbar ein Luxusmodell, da habe ich mir noch nie Gedanken drüber gemacht. Wenn sie warm wird, werden die Brustwarzen hart.

– Wahnsinn.

– Ich dachte, das ist normal.

– Das passiert mir nicht mal bei den echten. Wahrscheinlich fährt sie auch noch eine Zunge aus oder bläst Ihnen einen.

– Das nicht, aber küssen tu’ ich die schon.

– Ich wette, Sie haben Abitur.

– Ja, wieso?

– Und studiert?

– Schon, warum fragen Sie?

– Merkt man irgendwie.

– Wollen Sie jetzt wirklich die Geschichte vom Holzfäller und vom raffinierten Lüstling auftischen?

– Gott bewahre. Ich hätte auch gerne mehr Bildung. Aber wann bitte? Nach der Schicht? Da geh’ ich was saufen und dann knall’ ich die Alte, und das war’s.

– Und am Wochenende?

– Gibt’s nur selten. Außerdem sauf’ ich dann wenn’s geht durch.

– Wieso?

– Ich bin am liebsten hacke, Sie nicht?

– Doch.

– Also. Treiben Sie es dann auch mit Ihrer Puppe?

– Logisch.

– Und?

– Geht immer zu schnell.

– Ja, das ist immer Scheiße.

– Ich versuch’s dann meist sofort noch mal, aber ich bin auch nicht mehr der Jüngste.

– Kenn’ ich.

– Aber wissen Sie was, wenn ich da so lächerlich rumzappel’, find’ ich es manchmal am besten.

– Sie meinen geil?

– Ja verdammt. Beschissen scheißarschgeil.

– Entschuldigung. Seien Sie doch nicht so empfindlich. In Ihrer Etage nennt man ficken dann sich die Hand geben, oder wie?

– Tut mir Leid.

– Schon gut. Noch einen?

– Ja, jetzt bin ich aber dran. Noch mal dasselbe, bitte. Drei Löcher.

– Das gehört zur Standardausstattung

– Sind die bei Ihnen auch verschieden eng?

– Freilich. Schrecklich, wenn hinterher immer alles aussuppt. Loch ausstülpen, wegwischen, wie ich das hasse.

– Das ist wirklich ein wunder Punkt. Ich dusche sie meistens ganz.

– Ich hab’ mit meiner schon mal in der Wanne, das war nicht schlecht, sollte ich mal wieder machen, aber ich bin immer zu faul für irgendwelche Extras. Ich nehm’ mir immer tausend Sachen vor während der Arbeit, aber dann schiebe ich ihn doch nur rein. Gleich hinter der Wohnungstür, nur die Hose bisschen runter gegen die Wand.

– Ich leg’ öfter Musik auf. Sie hört gerne Debussy.

– Hä?

– Einen französischen Komponisten.

– Ach so. Ich hab’ immer Fernsehen an. Wenn ich mir was gönnen will, hab’ ich ihn bei der drin und ruf’ so eine Nummer an.

– Oh là là.

– Geht auch ganz schön ins Geld. Eine echte Nutte wäre billiger. Mir gehen die Puppen auch so schnell kaputt, wie ist das bei Ihnen, man muss doch sein Teil richtig reinwuchten können, oder? In der Branche müsste ich arbeiten, dann wäre ich schon reich.

– Ich habe immer noch die erste. Wahrscheinlich ist mein Schwanz so popelig, dass die das mit links wegsteckt.

– Glaub ich nicht, Sie sehen irgendwie nach Latte aus.

– Oh, danke sehr, das ist mal ein schönes Kompliment, eigentlich hab’ ich mir auch immer was drauf eingebildet. Sie können sich wahrscheinlich auch nicht beklagen, oder?

– Naja, normal, würde ich sagen. Was machen Sie mit Ihrer so?

– Ich lege wie gesagt Musik auf und zünde ein paar Kerzen an und dann küss’ ich die und leck’ die überall und komm’ mir sauverführerisch vor. Die Pofalte mag ich besonders. Dann tu’ ich meinen Schwanz irgendwo rein und denk’ nach.

– Wie bitte?

– Manchmal überlege ich mir Sachen von der Oper, ich bin Opernregisseur, wollen Sie mal in die Oper gehen, und dann denke ich manchmal an eine Sängerin, aber meistens an meine Frau.

– Das klingt jetzt wirklich pervers.

– Wieso, sie hat mir die Gummipuppe doch geschenkt. Weil ich sie anscheinend so behandelt habe. Scheißweiber. Sie lässt mich nicht mehr ran. Hin und wieder ruf’ ich sie, wenn ich Evi gerade vögel’.

– Und?

– Wenn sie Lust hat, kommt sie rüber.

– Und dann?

– Dann steht sie in der Tür und schaut zu. Und dann sagt sie „genau“ und geht wieder.

– Oh Gott, was ist denn das für eine Hyäne, Entschuldigung.

– Macht nichts. Mir wär’ lieber, ich könnte sie verlassen.

– Ich hab’s gern ein bisschen gewalttätig, leider. Würgen und so. Und seit ich mit dem Gummifotzen, ist es nicht weniger geworden.

Manchmal geh’ ich ja noch zu einer echten Frau. Ich hab’ sonst Angst, verrrückt zu werden, Sie nicht?

– Doch.

– Aber die mögen das nicht, selbst wenn ich was drauflege. Die fangen an zu schreien, Wahnsinn, Eric Burdon, macht Du bisschen lauter, Süße? Danke. Geil. Jedenfalls, die brüllen dann. Das wäre mir egal, aber ein paar Mal kamen schon so Tarzane rein. Nur einmal hat’s eine durchgehen lassen, die war dann völlig durchgedreht und konnte nicht genug kriegen.

– Ist klasse, Ihr Eric Burden, oder wie heißt der?

– He! Bleiben Sie bei Ihrem Bildungsscheißdreck, den teil’ ich nicht mit Ihnen.

– Jetzt sind Sie empfindlich.

– Ich hab ja auch recht. Sie sind ein Scheißpenner, der es nicht mal seiner Alten besorgen kann.

– Und Sie lesen wahrscheinlich in der Kurfürstenstraße minderjährige Junkies auf, weil es sonst nicht mal gegen Geld noch eine mit Ihnen macht.

– Noch ein Wort.

– Wieso, stimmt’s oder hab’ ich Recht? Bringen Sie uns noch mal ein Bier und einen Wein?

– Lecken Sie mich doch am Arsch. Die blöde Nutte hab’ ich nie mehr gefunden, dabei sollte die dann gar kein Geld, weil es ihr so gut gefallen hat. Ich nehm’ noch einen doppelten Klaren dazu, bitte. Sie haben doch keine Ahnung.

– Wovon?

– Lieben Sie Ihre Frau überhaupt?

– Ich glaube schon.

– Sehen Sie, nicht mal das wissen Sie. Ich weiß wenigstens, dass ich die Chance meines Lebens verbockt habe, ich hätte gleich am nächsten Tag wieder hin, aber, halten Sie sich fest, ich habe doppelte Schichten eingelegt, ich arbeite am Potsdamer Platz, zum Kohle machen ganz gut, aber freiwillig würde ich da nirgends rein, ich hab’ geackert wie ein Doofer, ich hatte so hübsche Unterwäsche gesehen, wissen Sie, richtig teuer, aber als ich mit dem Scheiß da wieder hin bin, war die nicht mehr da, und keiner wusste was.

– Oje.

– Entschuldigen Sie, wenn ich so aufdringlich frage, wenn Sie dann mit Ihrer Evi, denken Sie dann an die Frau?

– Ich denke immer an die, was meinen Sie?

– Stellen Sie sich dann vor, dass Sie es mit ihr machen?

– Nein, das geht doch nicht.

– Weil Sie sie nicht fragen können, ob es ihr recht ist?

– Sie haben es erfasst. Wie heißen Sie eigentlich?

– Horst Barlok. Und Sie?

– Michael Ladwig.

– Angenehm.

– Danke gleichfalls.

– Spätestens zum Ende hin stelle ich mir immer meine Frau vor. Am liebsten spritze ich ihr ins Gesicht.

– Bringt’s das?

– Schon, aber hinterher fühle ich mich nicht gerade erleichtert.

– Ich auch nicht. Nie. Hinterher ist mir immer alles nur noch lästig. Sowas von lästig, das können Sie sich nicht vorstellen.

– Doch, ich glaube schon. Deswegen fang’ ich ja gleich wieder an, damit das weggeht.

– Geht mir ähnlich.

– Soll das jetzt immer so weitergehen?

– Bestimmt.

– Na guten Morgen. Fragen Sie doch die Kellnerin, ob sie noch mal diesen Eric Burden oder wie der heißt, auflegt, ich fand’ den wirklich gut, wenn ich den nicht hören darf, hätten Sie gar nicht erst seinen Namen sagen dürfen, Sie dummer Prolet.

Katrin Schings Erzählband „Das Anliegen“ ist im Karin Kramer Verlag erschienen, hat 92 Seiten und kostet 22 Mark.