Der Handel wird zum Artenkiller

Rund 40.000 Tonnen Heilpflanzen werden jährlich nach Deutschland eingeführt – darunter viele bedrohte Arten. Teufelskralle und Adonisröschen sollen jetzt auf der Cites-Konferenz unter besonderen Schutz gestellt werden

von KATJA TRIPPEL

Sobald in der südafrikanischen Kalahari-Wüste die Regenwolken über den Himmel ziehen, brechen die frischen Triebe der Teufelskralle aus dem Boden. Ihre leuchtend roten Blüten sind von weitem zu sehen. Widerhaken, die an den verzweigten Armen wachsen, gaben der Teufelskralle ihren Namen. Weltweite Berühmtheit erlangte die Pflanze allerdings nicht wegen ihrer oberirdischen Schönheit, sondern wegen ihrer tiefen Wurzeln: Sie genießen den Ruf, ein Heilmittel gegen Rheuma, Arthritis, Magenleiden und sogar Akne zu sein.

Die vermeintliche Wirkung der Wurzeln sind auch der Anlass für Diskussionen auf der derzeit in Nairobi stattfindenden Artenschutzkonferenz Cites. Deutschland fordert die 150 Unterzeichnerstaaten auf, die Teufelskralle auf Anhang II der Schutzlisten zu stellen und den internationalen Handel zu kontrollieren. Grund für die Besorgnis der deutschen Artenschützer ist die starke Übernutzung der Wildpflanze in Namibia, Südafrika und Botswana.

Insbesondere die deutsche Nachfrage nach den Wurzeln führte in den vergangenen Jahren zu einem starken Rückgang der Bestände. Zu Puder gerieben, als Tonikum verflüssigt oder als Salbe verarbeitet verkauft sich die Teufelskralle hier erfolgreich an Rheumakranke: 150 Kapseln sind für 25 Mark zu haben, 100 Gramm Teufelskrallentee – „garantiert aus Wildsammlung“ kostet um die zehn Mark.

Seit Jahrzehnten schon gelten die Deutschen als weltweit größte Nachfrager von exotischen Heilpflanzen. 40.000 Tonnen werden jährlich eingeführt. Eine Studie des Bundesamts für Naturschutz (BfN) zählte über 1.500 Arten. 600 Tonnen der Teufelskrallenwurzeln hat Namibia allein 1999 ausgeführt, der größte Teil davon landete im Hamburger Hafen – Europas größtem Umschlagplatz für Heilpflanzen und Gewürze.

Die Firma Inter Naturalis, die als Mittler zwischen südafrikanischen Exporteuren und deutschen Händlern fungiert, hat 1999 rund 100 Tonnen Teufelskrallenwurzeln importiert. Ihr Inhaber Gerald Edler schätzt, dass für diese Menge afrikanische Sammler auf mindestens 1,2 Millionen Quadratkilometern Wurzeln graben mussten – das entspricht der Fläche von ganz Südafrika. In Deutschland kostet das Kilo rund zehn Mark – dementsprechend interessiert ist Edler, dass die Quellen nicht versiegen. Auf Grund ihres hohen Platzbedarfs eignet sich die Teufelskralle für gezielten Anbau jedoch nicht. Die Wurzeln dürfen auch nur alle drei Jahre abgezwackt werden, sonst stirbt die Pflanze ab.

Für viele namibianischen Dorfgemeinschaften ist der Verkauf von Teufelskrallenwurzeln allerdings alleinige Einkommensquelle und somit überlebenswichtig. „Wir versuchen, unsere Sammler an nachhaltige Grabetechniken zu binden“, versichert Edler. Zum gleichen Zweck brachte auch der BfN den Cites-Antrag auf den Weg. „Uns geht es nicht um ein Handelsverbot“, erklärt BfN-Präsident, Professor Hartmut Vogtmann. „Wenn die traditionellen Sammler Gewinn aus der Teufelskralle erzielen können, werden sie auch zu ihrem Schutz beitragen.“ Mit Mitteln des Umweltministeriums hat das BfN deshalb in Zusammenarbeit mit Entwicklungsorganisationen aus den Herkunftsländern Armutsbekämpfungsprojekte initiiert, bei denen die nachhaltige Sammlung der Teufelskralle die zentrale Komponente ist. Auf diesem Weg hofft das BfN die Ausrottung der natürlichen Ressource zu verhindern. Die südafrikanischen Länder begrüßen zwar die Projekte, sträuben sich allerdings gegen Handelskontrollen.

Bei anderen Pflanzen, die für ihre Heilkraft bekannt sind, ist es für solche Projekte schon fast zu spät. Das Afrikanische Riechholz, aus dessen Rinde ein Extrakt gegen Prostatabeschwerden hergestellt wird, ist nach Schätzungen des International Center for Research on Agroforestry (ICRAF), Nairobi, fast vollständig ausgerottet. Im Jahr 1994 haben allein Deutsche rund 150 Millionen Dollar für Heilmittel aus Afrikanischem Riechholz ausgegeben. Hauptexporteur der Rinde, deren Handel laut des Cites-Abkommens seit 1995 kontrolliert werden sollte, ist Kamerun – und dessen Korruptionsanfälligkeit ist weltweit bekannt.

Auch in unseren Breiten stehen Pflanzenarten auf der roten Liste, da sie – zusätzlich zur Zerstörung ihrer Lebensräume – in der Vergangenheit übermäßig gesammelt wurden. Die gelbe Arnika, deren Blütenköpfe wundheilende Wirkung besitzen und zu Kosmetika verarbeitet werden, ist im Norden Deutschlands fast ausgestorben. Anbauversuche sind gescheitert, deshalb floriert der Import aus Osteuropa.

Das Adonisröschen stand schon im Reichsnaturschutzgesetz von 1935, weil seine Blüten so begehrt waren. Jetzt fordern die deutschen Artenschützer auf der Cites-Konferenz internationale Handelskontrollen, da die Bestände inzwischen auch bei den Hauptexporteuren Russland, Rumänien und Bulgarien gefährdet sind. Der Grund: Adonisröschen beinhalten Glykoside, die bei Herzleiden helfen. Professor Herbert Sukopp, eine Koriphäe für bedrohte Pflanzenarten in Deutschland, hat das Adonisröschen letztes Wochenende im Odertal blühen sehen: „Das war leider eine seltene Ausnahme.“

Hartmut Galke, der aus dem Harz in großem Stil mit Heilkräutern handelt, hat allein auf Grund der deutschen Schutzbestimmungen den Verkauf des Adonisröschens stark zurückgefahren. Seine Erfahrung: „Der Bedarf sinkt sofort, wenn der Artenschutz greift.“ Zurückgehende Nachfrage befürchtet auch Teufelskrallenhändler Gerald Edler, wenn sich Deutschland auf der Cites durchsetzt. Der Berliner Rheumatologe Thomas Gregori von der Klink Weissensee ist dem Teufelskrallenboom gegenüber grundsätzlich skeptisch: „Gegen den Verlauf von Gelenkkrankheiten kann ihre Wurzeln nichts ausrichten. Wenn überhaupt, hilft es lindernd – vor allem, weil die Patienten fest daran glauben.“