Unbequeme Details

Kohl droht, Herausgabe von Stasi-Akten mit allen Mitteln zu verhindern. Parteienkoalition wollte die Strafvorschriften schon 1994 verschärfen

BERLIN taz ■ Im Streit mit der Gauck-Behörde hat Altkanzler Helmut Kohl juristischen Widerstand angekündigt, sollten die ihn betreffenden Stasi-Akten veröffentlicht werden. „Wir prüfen derzeit eine Verfügung gegen die Herausgabe der Akten an Dritte“, sagte Kohls Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner der Zeitung Die Welt.

Neu ist der Versuch, die Verwendung der Stasi-Akten zu verhindern, nicht. In den ersten Entwürfen zur Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes wollten CDU/CSU, FDP und SPD 1994 selbst das sinngemäße Zitieren aus Stasi-Unterlagen unter Strafe stellen. Doch am Ende verzichteten die Bonner Politiker auf eine solche Regelung – im Wahljahr 1994 wollten sie sich nicht mit den Zeitschriften- und Zeitungsverlegern anlegen. Helmut Kohl dürfte das im Nachhinein ärgern. Die Angst vor möglichen Enthüllungen ist groß.

Bereits im Herbst 1993 hatte das neue Magazin Focus mit einem Mehrteiler über „Den Stasi-Schatz“ aufgewartet – und längst vernichtet geglaubte Akten präsentiert. Es handelte sich um so genannte „Zielkontroll-Aufträge“: Karteikarten der Staatssicherheit, die Details über Mitarbeiter bundesdeutscher Geheimdienste und die Liebschaften von Bonner Politikern enthielten. Informationen, die nach Meinung der Bundestagsmehrheit in der Öffentlichkeit nichts zu suchen hatten.

Die innenpolitischen Experten der Altparteien planten daraufhin, die Strafvorschriften im Stasi-Unterlagengesetz zu verschärfen. Neben der „unbefugten Veröffentlichung“ von Stasi-Informationen über „Betroffene oder Dritte“ wollten sie auch die „unbefugte Übermittlung“ verbieten.

Ein entsprechendes Papier, das unter Ausschluss von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS erarbeitet wurde, verfolgte vor allem ein Ziel: den Schutz von Politikern und hochrangigen Beamten vor weiteren Enthüllungen. Denn für den Westen unbequeme Aufzeichnungen gab es reichlich: So wurde die Strauß-Schalck-Connection erst anhand von Stasi-Akten aufgedeckt.

In der gegenwärtigen Diskussion um die Veröffentlichung der Stasi-Akten hat nun die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) für eine Verwendung der Protokolle im CDU-Spendenausschuss plädiert. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Joachim Jacob, betonte dagegen, dass die Protokolle auf rechtsstaatswidrige Weise zustande gekommen seien und eigentlich vernichtet gehörten. Auch der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck, hat am Mittwoch noch einmal bekräftigt, dass der größte Teil der Stasi-Informationen nicht rechtsstaatlich gewonnen worden sei. WOLFGANG GAST