Widerstand und Geschlecht

Überblicksdarstellungen zum antifaschistischen Widerstand von Frauen sind noch immer rar. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass erst durch die feministische Hinterfragung männlicher Widerstands- und Heldenmythen ein verstärktes Interesse für die Formen und Bedingungen des Widerstandshandelns von Frauen entstand.

In der Forschung wurde aufgezeigt, dass auch Frauen in den „Männerdomänen“ des organisierten und bewaffneten Widerstandes aktiv waren. Der traditionelle, auf diese Bereiche verengte Widerstandsbegriff schließt allerdings die Handlungsfelder von Frauen als „unpolitisch“ oder „nur“ unterstützend aus. Deshalb fragen die meisten Autorinnen nach den unterschiedlichen gesellschaftlichen Ausgangsbedingungen von Frauen und Männern und entwickeln ein erweitertes Widerstandsverständnis.

Die Frage, wie überhaupt zu bestimmen ist, wo die Übergänge von „Dissens“ gegenüber dem herrschenden System und vereinzelten „resistenten“ Verhaltensweisen zur politischen Bekämpfung des Systems liegen, beschäftigt Christl Wickert in dem von ihr herausgegebenen Band „Frauen gegen die Diktatur. Widerstand und Verfolgung im nationalsozialistischen Deutschland“ (Edition Hentrich, Berlin 1994, 189 Seiten, 24,80 Mark). Die Beiträge beleuchten die Gründe, aus denen Frauen antifaschistisch eingestellt waren, und geben Einblicke in unterschiedliche Formen und Grade des Widerstandshandelns in Deutschland oder im Exil. Auch Repression und Verfolgung werden berücksichtigt. Die Vertiefung einiger Aspekte wäre allerdings wünschenswert. Inzwischen liegen zu einigen Gesichtspunkten weiter gehende Forschungen vor.

In den Ländern, die im Zweiten Weltkrieg unter deutscher Besatzung standen, war die Ausgangslage eine gänzlich andere. Florence Hervé unternimmt in ihrem Buch „Wir fühlten uns frei. Deutsche und französische Frauen im Widerstand“ (Klartext Verlag, Essen 1997, 186 Seiten, 22 Mark) einen Vergleich. Spannend daran ist, dass sie auch die Geschlechterverhältnisse der Vorkriegszeit mit in den Blick nimmt und somit hinsichtlich der Handlungsmöglichkeiten von Frauen und ihrer nachträglichen (Nicht-) Wahrnehmung auch Parallelen zwischen Besatzern und Besetzten erkennt. Das Buch führt die Betrachtungen bis in die Nachkriegszeit fort und untersucht die an die Widerstandserfahrung anknüpfenden Partizipationschancen von Frauen.

Zunächst scheint es, als würde sich die Frage nach dem Motiv für den Widerstand in den besetzten Ländern gar nicht stellen. Dem widerspricht Ingrid Strobl in ihrem Buch „Die Angst kam erst danach. Jüdische Frauen im Widerstand 1939 bis 1945“ (Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1998, 28 Mark). Sie zeigt darin auf, dass jüdische Organisationen und Gruppen in allen europäischen Ländern einen eigenen Widerstand leisteten. Angesichts der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gegenüber den Juden betrachtet Strobl alle organisierten Formen der Selbstbehauptung als Widerstand.

Ein wesentlich von Frauen getragenes Feld war dabei die Rettung jüdischer Kinder aus den besetzten Ländern. Das Buch gibt einen sehr umfangreichen Überblick über die Widerstandsbeteiligung der Frauen in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Ungarn und Polen. Dabei werden immer wieder einzelne Frauen und ihre Biografien in den Vordergrund gestellt – ein Privileg, das sonst zumeist nur den männlichen „Helden“ zukommt.

CLAUDIA LENZ