Meister Propers dunkle Seite

Während in der ganzen Stadt akribisch aufgeräumt wird, läuft schon die mächtige Gegenaktion an: Hamburg macht Dreck  ■ Von Peter Ahrens

Es ist wieder an der Zeit: Die Zeit, in der marodierende Schülerhorden durch die Stadt ziehen. In der einen behandschuhten Hand einen Müllsack, auf dem angemessenerweise groß Bild-Zeitung draufsteht. In der anderen Hand zerdrückte Capri-Sonnen und abgelaufene Lotteriescheine fürs Umwelt-Bingo, die sich im Müllsack wieder treffen. Drumherum streichen unterbeschäftigte PädagogInnen, die hysterisch auf jede Coladose weisen, die sie am Bordstein auftun. Auf dass die kleinen dressierten Monster in ihren bunten Pokemon-Klamotten sich unverzüglich auf sie stürzen und sie dem Bild-Sack einverleiben. Es ist Frühling, der Trieb bricht sich Bahn. Es ist so weit: Hamburg räumt auf.

Diese Stadt muss proper werden. Das haben sie sich auf die Fahne geschrieben, diese Allianz der Weißen Riesen aus Bild, NDR, grünem Umweltsenator und Stadtreinigung. Seitdem winkt denen, die ihr Kaugummi immer noch in den Rinnstein spucken, die sofortige Exekution. Lynchstimmung der Sauberleute. Jeder Papierkorb ein Symbol, jede Mülltüte ein Triumph der Reinheit. Man muss vom Pflas-ter des Rathausmarktes wieder essen können. Nur so wird die Freie und Hansestadt Hamburg wieder so lebens- und liebenswert wie zur Zeit unserer Altvorderen, als noch alles aus Holz war und das böse Plastik uns noch nicht den Alltag vergällte.

Täglich neue Erfolgsmeldungen in der Bild: An der Otto-Hahn-Gesamtschule in Jenfeld „schwärmten 300 Schüler aus und befreiten Grünflächen rund um die Schule von ihrem Dreck.“ Der Schulleiter ist völlig aus dem Häuschen: „Eine Aktion für unsere Umwelt. Da machen wir natürlich mit.“ Isabell (8) auch: „Mit großem Eifer sammelte die kleine Isabell den Müll mit einer Greifzange und warf ihn in den Sack.“ Brave, kleine Isabell.

Aber: Es ist, wie es immer ist. Wenn die Gesamtheit einem hehren Ziel frönt, gibt es niedere, kleine Elemente, die sich nicht damit abfinden können, dass hier die Masse fürs Gemeinwohl aufpickt, putzt und entsorgt. Sie sitzen, wo sie immer sitzen, in den Zentren der Fundamentalopposition, Karoviertel wahrscheinlich, Schanze ist bestimmt auch wieder mit von der Partie, man kennt sie, die Missgünstlinge. Und natürlich gibt die taz wieder publizistische Rückendeckung.

Ihr Plan: Sie setzen „Hamburg räumt auf“ ein ebenso entschiedenes „Hamburg macht Dreck“ entgegen. Rudel von Straßenkötern werden in die Fußgängerzonen gejagt, auf dass sie das tun, was so hübsch „ihr Geschäft erledigen“ genannt wird. Sie schicken morgen ein paar tausend Menschen auf die Straßen mit dem Auftrag: Sie sollen ganz viele weiße Plastiktrinkbecher und kleine gelbe Schwämme in der Stadt verstreuen. Dazu sollen sie ungefähr 42 Kilometer zurücklegen, damit auch möglichst viele Straßen davon betroffen sind. Genial einfach, genial durchschlagskräftig. Von der Idee, die Strecke direkt an der Otto-Hahn-Schule in Jenfeld vorbei führen zu lassen, hat man aber wieder Abstand genommen. Das hätte man der kleinen Isabell denn doch nicht antun wollen. Irgendwo ist man doch noch Mensch, schlägt noch ganz schwach ein Herz für Kinder.

Gipfel der Perfidie: An Sonntagen soll jetzt immer früh morgens, wenn die Ordnungshüter der Stadt noch ihren Rausch ausschlafen, ein Markt, am besten nah der Elbe hinter den Landungsbrücken, etabliert werden, der dem alleinigen Zweck dient, Sonntags Mittags ein Schlachtfeld aus welken Kohlrabiblättern, Kartons, zermatschten Bananen und ausgetretenen Matjesresten zu hinterlassen. Da wird der saubere Umweltsenator lange dran zu knabbern haben.