Trendbewusst treten

■ Citytauglich und den Kinderschuhen entwachsen: Die Rückkehr des Rollers

Schon wieder in der Sperrzeit mit dem Fahrrad in der S-Bahn erwischt worden? Beim Inline-Skaten eher ins Schwitzen als in Fahrt gekommen? Mobilität in der Stadt musste bisher hart erkämpft werden. Das soll sich ändern: „Der Roller wird sich als Verkehrsmittel für kurze Wege durchsetzen“, preist Trend-Sport-Fachmann Jörn Freese die modische „Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr“.

Anfang der 90er Jahre begann sich der mit 20-Zoll-Fahrradreifen, Felgenbremsen und Einkaufskörbchen zum „City-Hopper“ aufgemotzte Tretroller als Fortbewegungsmittel für Erwachsene zu etablieren. Vor einem Jahr tauchten die ersten „Kickboards“, Skateboard-artige Gefährte mit Lenkstange, auf. „Weil sie stadttauglich sind“, erklärt erklärt Karstadt-Verkäufer Freese, selbst Kickboarder, ihre zunehmende Verbreitung. Die Roller besäßen die Vorteile des Fahrrads, seien durch ihr niedriges Gewicht von drei Kilogramm und den Klappmechanismus problemlos in öffentlichen Verkehrsmitteln transportierbar und ermöglichten nach seiner eigenen Erfahrung Geschwindigkeiten von bis zu 85 Stundenkilometern. Wem das ein wenig hochgestapelt erscheint: Das Weltrekord-Tempo liegt bei 141 km/h.

Und wer rollert auf den um 500 Mark teuren Zweirädern bisher herum? „60 Prozent sind Anzugträger“, beschreibt Freese seine Klientel. Manche Firmen orderten gleich für die gesamte Belegschaft. „Die Anwälte zum Beispiel wollen ja nicht illegal mit dem Fahrrad gegen Einbahnstraßen und auf dem falschen Bürgersteig fahren. Mit dem Roller ist so etwas nicht verboten“, ergänzt Uwe Carstensen vom Fahrradladen „Wheels“ einen weiteren Vorteil: Tret-Rollerer gelten wie Inline-Skater vor dem Gesetz als Fußgänger.

Auch die 83jährige Helga Schittek aus Övelgönne fährt seit vier Jahren ausschließlich auf ihrem roten Roller. Ein Geschenk ihres Sohnes: Der „befürchtete, ich würde beim Einkaufen mit dem Fahrrad in den Graben fahren“, erzählt die mehrfache Großmutter und lacht. Ihre neun Enkel holt sie seitdem mit dem Roller ab – zwei Kinder und ihre Einkäufe kann Helga Schittek gleichzeitig transportieren.

Das Kickboard ist zwar weniger geeignet für den Transport einer Kleinfamilie, macht dafür aber Skate-Stunts mit und scheint – „nach massiver PR“, so Freese – genau „dem Trend bei den 9- bis 25-Jährigen“ zu entsprechen. Allein Sport-Karstadt Hamburg verkauft 500 Stück im Monat. In vielen kleineren Läden Hamburg bleibt der Versuch, ein Kickboard zu erwerben, gar erfolglos. Das letzte vorrätige Exemplar ist häufig gerade verkauft worden – oder geklaut.

„Du brauchst zehn Minuten und du kannst es“, will Boarder Freese auch weniger sportliche Stadtmenschen zum Umsteigen ermutigen. Und sollte es mit der stadtgerechten Fortbewegung per Trend-Roller doch noch nicht so recht klappen, hilft ein Szene-Trick: „Das eigentlich Anstrengende“, erklärt Uwe Carstensen, „ist das dauernde Einknicken des Standbeins auf dem Brett.“ Also: „Einfach einen Plateauschuh an den Tretfuß ziehen.“

Kathi Schiederig