Verbrechen substituiert

Innensenator lobt Hamburger Methadonprogramm: Rückgang der Beschaffungskriminalität wird polizeilich anerkannt  ■ Von Elke Spanner

Die Bekämpfung der Kriminalität, sprach der Innensenator, „darf man nicht allein in die Hände der Polizei legen“. Dass die Zahl der Autodiebstähle und Wohnungseinbrüche in Hamburg seit 1992 kontinuierlich zurückgegangen ist, sei nicht nur polizeilicher Repression, sondern gesundheitspolitischen Maßnahmen zu verdanken: Durch das Methadonprogramm, das Drogensüchtige mit Ersatzstoffen substituiert, hätten weniger KonsumentInnen Beschaffungsdelikte begangen. Zu diesem Ergebnis kam die kriminologische Forschungsstelle des Landeskriminalamtes (LKA) in einer Studie, die Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) gestern präsentierte.

Das LKA beobachtete die Delinquenz von 450 polizeilich regis-trierten KonsumentInnen harter Drogen wie Heroin oder Kokain. Durch deren Substitution mit kos-tenfreiem Methadon oder Polamidon habe der Beschaffungsdruck nachgelassen. Sie müssten weniger Geld für ihren Drogenkonsum auftreiben und würden folglich weniger Diebstähle und Einbrüche begehen – Delikte, die das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung besonders beeinträchtigen.

Wrocklage kündigte an, „alles zu tun, damit das Methadonprogramm weitergeführt werden kann“. Dafür könnte er sich zunächst mit an den Verhandlungstisch setzen, an dem die Kassenärztliche Vereinigung (KV) mit den Krankenkassen über die Finanzierung der Substitution streitet. Vorigen Juli lief der sogenannte „Hamburger Vertrag“ aus, der die restriktiven bundesweiten Methadon-Richtlinien für die Hansestadt erweiterte. Mit ihm endete auch die Vereinbarung zwischen Krankenkassen und KV über die Finanzierung der Behandlungen. In der Folge wurde die Vergütung für die einzelnen ärztlichen Leistungen drastisch abgesenkt.

Früher, so der Arzt Rainer Ullmann, dessen Praxis rund 170 Me-thadonpatientInnen betreut, zahlten die Kassen pro Substitutionspatient etwa 400 Mark im Quartal. Jetzt sind es nur noch 100 Mark. Und konnten die ÄrztInnen zuvor in den drei Monaten sieben bis acht Gespräche mit den PatientInnen abrechnen, bekommen sie jetzt nur noch vier bezahlt. „Für das Geld kann man keine vernünftige Behandlung mehr durchführen“, resümiert Ullmann, der im Namen des „Arbeitskreises Substitution“ der Ärztekammer und KV auch die Gesundheitsbehörde auf den Missstand hingewiesen hat.

Prekär sei die Lage insbesondere für die städtischen „Drogenambulanzen“, die ausschliesslich Methadon-Substituierte betreuen. Viele private ÄrztInnen haben laut Ullmann die Substitutionsbehandlung bereits aufgegeben; statt zuvor 225 Praxen würden nur noch 90 MethadonpatientInnen annehmen. Der Bedarf aber ist groß. Viele Junkies substituieren sich selbst und besorgen sich den Ersatzstoff auf dem Schwarzmarkt. 36 Prozent aller neuen KlientInnen, so der Geschäftsführer der Hamburger Drogenambulanzen Georg Chorzelski, haben bei der Erstuntersuchung vor Beginn der offiziellen Vergabe bereits Methadon oder Polamidon im Urin.