Schikane gegen Einwanderer

■ Yuriy S.: „Ich kann die Wohnung meiner Mutter nicht verkaufen“

„Ich bitte Sie sehr darum, mich nicht mehr aufzufordern, die Wohnung meiner Mutter zu verkaufen. Bevor ich meine alte Mutter dazu nötigen sollte, ihre eigene Wohnung zu verkaufen, in die sie mich seinerzeit freundlich aufgenommen hat, würde ich mir mit meiner Frau das Leben nehmen.“ Das schrieb der jüdische Einwanderer Yuriy S. vor über einem Jahr ans Delmenhorster Sozialamt. Der Streit um eine Eigentumswohnung in einer ukrainischen Kleinstadt, die der 46-jährige Sozialhilfeempfänger nach Ansicht des Sozialamtes verkaufen muss, ist seither eskaliert. Anfang des Monats wurde dem Ehepaar S. – obwohl es Widerspruch gegen eine angekündigte Umstellung der Sozialhilfe auf Darlehen eingelegt hatte – sogar kurzerhand die Stütze gesperrt.

„Nötigung“ nennt das die Freundin der Einwanderer, Dorothea Fritsch-Ertel. Denn kurz zuvor habe das Paar unterschreiben sollen, 10.000 Mark für vermeintlichen Wohnungsbesitz in der Ukraine an das Sozialamt zu erstatten. Zu diesem Zeitpunkt aber habe die Frau nur „zwei Mark, einen Termin für eine Knieoperation und einen Befund auf möglichen Brustkrebs in der Tasche gehabt. Sie wäre also nicht mal krankenversichert gewesen.“ Nachdem die deutsche Freundin dem Sozialamt mit einer Klage wegen Nötigung drohte, wurde die Sozialhilfe-Sperre aufgehoben. Aber in der Sache sind die jüdischen Einwanderer aus der Ukraine kein Stück weiter.

Aus Sicht des Sozialamtes geht es um die Umsetzung des Bundessozialhilfegesetzes. Danach dürfen Hilfeempfänger keine nennenswerten Werte, inklusive Wohneigentum im Ausland, besitzen. Nach Recherchen des Amtes betrifft dies im Fall der Familie S. sogar zwei Wohnungen in der Ukraine. Deren Wert von 10.000 Mark müsse in die Sozialkasse fließen, fordert das Amt seit über einem Jahr. Doch die Einwanderer haben kein Geld. Auch haben sie akribisch dargelegt, dass die eine Wohnung aus dem Familienbesitz der Ehefrau bereits vor der Ausreise verkauft wurde – um alte Schulden zu begleichen. Diese seien in einer Zeit entstanden, „als keine Renten und Gehälter gezahlt wurden“, und während sie die schwer krebskranke Mutter pflegte, schrieb Bronislava S. dem Amt. Um das zu belegen, fügte sie beglaubigte Schuldscheine bei. Umsonst. Zuletzt forderte das Delmenhorster Sozialamt für die längst verkaufte Wohnung rund 6.000 Mark – abzüglich des Freibetrags.

Für die zweite Wohnung aus dem Familienbesitz des Mannes beläuft sich die Forderung auf knapp 9.000 Mark – abzüglich Freibetrag. Die Darstellung des Paares, wonach in der Wohnung die 71-jährige Mutter des Mannes von einer kleinen Rente lebt, blieb wirkungslos. Dass Yuriy S., obgleich Mitbesitzer der Zwei-Zimmer Wohnung „mit Außentoilette am Hof“, diese nach ukrainischem Recht überhaupt verkaufen darf, bestreiten die Einwanderer mittlerweile. Doch Dokumente, die diese Rechtsauffassung belegen sollen, „hat der Mann im Sozialamt nicht einmal angenommen“, berichtet Bronislava S. Sie fühlt sich schikaniert. Verschiedenste Dokumente habe sie vorgelegt und für viel Geld übersetzen lassen. Nichts würde akzeptiert. „Der Abteilungsleiter hat mir angedeutet, in der Ukraine könne man für Geld doch alles kaufen“, sagt sie. Dies zu entkräften, sei schwer. ede