Die Berliner haben einen am Rüssel

Gestern begrüßten Hauptstädter und Touristen das erste seit 62 Jahren in Berlin geborene Elefantenbaby: „Ein Elefantenbaby, ein Elefantenbaby!“, „Ach Gott, wie süß!“, „Darf ich mal durch?“, „Nee!“

Wenn es in Berlin Teakholzwälder oder unwegsames Dschungelgelände gäbe, wäre das alles nicht passiert. Doch weil die Hauptstadt ohne Zug- und Lasttiere auskommt, müssen Elefanten in diesen Breiten ein viel schlimmeres Schicksal als in ihrer Heimat erleiden: Sie werden angegafft. Wenn sie dann auch noch wenige Tage alt und noch etwas wacklig auf den Beinen sind und obendrein von ihrer Mutter verstoßen wurden und mit der Flasche großgezogen werden, kennen die Berliner kein Halten mehr.

Nachdem am 5. April nach 62 elefantenbabylosen Jahren das erste Elefantenbaby im Berliner Zoo geboren wurde, stürmten sie gestern das Elefantenhaus, um Klein-„Plai Kiri“, den Sohn von „Pang Pha“, zu begrüßen: „Ist der nicht süß?!“, „Gib mir den Fotoapparat!“, „Darf ich mal durch?“, „Nee!“, „He, nicht meinen Fotoapparat klauen“, „Ich geh raus“, „Ach Gott, wie süß!“, „Ein Babyelefant, ein Babyelefant!!!“, „Gott, ist das goldig“, „Eh, der ist ja klein!“, „Ach, ist das eine Scheiße hier!“ Und all das Geschubse und Gedränge wegen eines hüfthohen Elefanten auf einem Betonboden. Unter den Dutzenden Müttern mit Kindern, Großeltern mit Enkeln und Lehrern mit Schülern war ein ehemaliger Industriefotograf aus dem Osnabrücker Raum, der seinen Berlinbesuch nach dem Tier gerichtet hatte. Nachdem der 73-Jährige seine Bilder im Kasten hatte, gab er der taz bereitwillig Auskunft: „Ich suche die beste Aufnahme aus und lege dann Laub auf meinen Fototricktisch, retuschiere die Stäbe raus und dann sieht es aus, als käme er aus dem Urwald raus.“ Nicht ganz so zufrieden zeigte sich eine Berliner Oma mit ihrem Enkelkind, das in Frankreich auf dem Land aufwächst, „wo es so was nicht gibt“. Für die Kleine sei es „amüsant“ gewesen. Doch den Eintritt – 35 Mark für zwei Erwachsene und ein Kind – fand sie schon happig.

Nur der Pate der thailändischen Elefantenmutter, der nun quasi Patenopa wurde, ließ sich gestern nicht blicken. „Herr Michael Schrul hat dankenswerterweise die Patenschaft für den asiatischen Elefanten Pang Pha übernommen“, heißt es auf einer Tafel am Elefantengehege. „Ich habe die Patenschaft meinem Mann vor drei Jahren zu unserer silbernen Hochzeit geschenkt, weil er sich so für Elefanten interessiert“, verriet seine Frau Roswitha am Telefon. Dass der Schulhausmeister aus Tempelhof gestern seinen Arbeitspflichten nachkam, hatte einen einfachen Grund: „Er wollte das Baby nicht stören.“ Außerdem hätten sie das Baby schon gesehen. Dass die Elefantenmutter ihr Kind nicht annimmt, stimmt Roswitha Schrul nachdenklich: „Schön ist das leider nicht.“ Aber: „Die im Zoo werden das schon richtig machen“.

Ob die Veranstalter einer ganz anderen Elefantengeschichte das nötige Fingerspitzengefühl haben, ist fraglich. Am 16. Juli sollen auf der Rennbahn Hoppegarten ein Dutzend Elefanten ins Rennen geschickt werden – zu Ehren des 50. Jahrestages der Republik Indien. Da sage noch einer, das Konzept des Bundeskanzlers zur Einfuhr von indischen Computerspezialisten sei nicht ausgereift. Bisher unbekannt war jedoch, dass sie auch ihre Haustiere mitbringen können.

B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA