Ein Ort mit Vergangenheit

Abgeordnete stritten über ein„Nationaldenkmal“, das an die Wiedervereinigung erinnern soll. Altes Reiterstandbild von Kaiser Wilhelm soll als Fundament dienen

BERLIN taz ■ Die erste Debatte war schwach besucht. Nur eine Handvoll Abgeordneter fand am Donnerstagabend den Weg in den Bundestag, um einen interfraktionellen Antrag zur Errichtung eines „Nationaldenkmals“ zu diskutieren.

Dabei ging es um eine durchaus umstrittene Sache. Ein „Freiheits- und Einheitsdenkmal“ soll am Rande des Berliner Schlossplatzes im Zentrum der Hauptstadt auf dem Sockel eines früheren Nationaldenkmals errichtet werden – auf dem Fundament eines Reiterstandbildes von Kaiser Wilhelm I., das 1897 errichtet und 1950 von der DDR-Führung geschleift wurde. Das neue Nationaldenkmal soll an die, wie es im interfraktionellen Antrag heißt, „friedliche Revolution“ und die Vereinigung der deutschen Staaten 1989/90 erinnern. Die Bundesregierung wird von 177 Abgeordnenten aller Parteien mit Ausnahme der PDS aufgefordert, am 3. Oktober dieses Jahres einen internationalen Wettbewerb zur Errichtung des Denkmals auszurufen.

So dringend aber schien der Wunsch der Abgeordneten nicht zu sein, denn gerade mal drei Dutzend fanden den Weg ins Plenum, um in erster Lesung das Vorhaben zu diskutieren. Die FDP-Abgeordnete Cornelia Pieper, eine der Initiatoren des Antrags, wunderte sich denn auch, dass diese Debatte „vor fast leeren Reihen“ stattfand: Wenn man ihr das vor zehn Jahren gesagt hätte, hätte sie das nicht geglaubt. Werner Schulz (Bündnisgrüne) konnte dem lahmen Interesse etwas Positives abgewinnen: Das sei besser, als wenn dies vor vollen Stuhlreihen und mit patriotischem Pathos geschehe.

Ein zweiter Initiator des Antrags, Günter Nooke (CDU), der das Denkmalsprojekt schon seit Jahren betreibt, zeigte sich über den Ort des Denkmals inzwischen kompromissbereit. Diese Position hatte sein Mitstreiter Markus Meckel (SPD) schon vor Tagen gezeigt. Auch wenn in dem Antrag steht, diese Stätte „wartet geradezu darauf“, eine neue Bestimmung zu bekommen: Offenbar ist den Abgeordneten der Ort auch nichts ganz geheuer. Schließlich war Kaiser Wilhelm I. ein bekennender Verächter der Demokratie, der als preußischer Kronprinz bei der Revolution 1848/49 auf Demokraten schießen ließ.

Die Berliner Landeschefin und PDS-Abgeordnete versuchte vergeblich, etwas Schwung in die Debatte zu bringen mit dem Gegenantrag ihrer Fraktion, das riesige Gewölbe unter dem Kaiser-Sockel der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Doch ihr Anliegen brachte sie so herzlos vor, dass dieser zumindest originelle Gedanke praktisch ungehört verpuffte. Nach einer knappen Stunde war die müde Diskussion beendet. Der Gruppen- wie der PDS-Antrag wurden in die zuständigen Ausschüsse verwiesen. Eine große Debatte um das geplante Nationaldenkmal steht noch aus.

PHILIPP GESSLER