Eins ist sicher: Der Dicke war da

Die Ex-Schatzmeisterin der CDU sagt aus – und alle Widersprüche bleiben. Wie kam Wolfgang Schäuble an die Spende des Waffenhändlers?

aus BerlinKARIN NINK

Da saß sie nun, Brigitte Baumeister, die langjährige Vertraute Wolfgang Schäubles, die Frau, die mit zum Rücktritt ihres Mentors als Parteivorsitzender beigetragen hat. Im schwarzen Kostüm erschien die frühere CDU-Schatzmeisterin gestern vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages, auf Seriosität bedacht, unfähig, ihre Nervosität zu verbergen: mit fahrigen Bewegungen, gezwungenem Lächeln, ziellos umherwandernden Augen. Welch ein Kontrast zum Vortag, als Schäuble souverän, schneidend und präzise Fragen parierte. Welch ein Unterschied auch, wie der Ausschussvorsitzende Volker Neumann (SPD) beide anging: Schäuble höflich und rücksichtsvoll, Baumeister hart und bedrängend.

Darum ging es: Wie kam Wolfgang Schäuble 1994 an die 100.000 Mark des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber und wer sorgte dafür, dass diese Spende nicht, wie es Pflicht gewesen wäre, veröffentlicht wurde?

Zum Eklat kam es nach einer Stunde. Da stellte sich heraus, dass die Anwältin, die sich Brigitte Baumeister als Rechtsbeistand in den Ausschuss des Deutschen Bundestages mitgebracht hatte, selbst – als Schäubles Tischdame! – an dem Spenderessen der CDU teilgenommen hatte, in dessen Folge Schreiber Schäuble 100.000 Mark in bar zukommen ließ.

Die Sitzung wurde unterbrochen und die Anwältin Kristina Gräfin Pilati Borggreven zur Zeugin. Spekulationen wuchern: Ist ihr unerlaubter Auftritt als Rechtsbeistand ein bewusster Coup von Baumeister und Co? Das würde die Anhänger der These stärken, wonach Brigitte Baumeister ein durch und durch durchtriebenes Frauenzimmer ist. Oder sind sie und die mit ihr befreundete Anwältin so dusselig, dass beiden nicht klar war, dass die Teilnahme an dem Essen den Rechtsbeistand ausschließt? Das gäbe all denen Recht, die glauben, dass Baumeister sich von Kohl, Schreiber und anderen zu deren Gunsten nur hat instrumentalisieren lassen.

Baumeister hält an ihrer früheren Aussage fest: Schreiber habe ihr die in einem an Wolfgang Schäuble adressierten Umschlag verpackte Spende bei einem Treffen am 11. Oktober 1994 in Kaufering gegeben. Dorthin sei sie gegangen, weil sie „die innere Vermutung hatte“, eine Spende zu bekommen. „Sinngemäß“ habe Schreiber zu ihr gesagt, in dem Umschlag sei „ein Buch mit bösen oder hässlichen Männern“.

Diesen Umschlag, von dem sie „annahm, dass Geld drin war“, habe sie Schäuble in Bonn bei der nächstmöglichen Gelegenheit – sie „geht davon aus“, dass es der 17. Oktober, der Tag nach der gewonnenen Bundestagswahl war – übergeben. Einige Tage später habe Schäuble ihr einen anderen Umschlag zurückgegeben mit der Bemerkung, er habe das Geld von Schreiber bekommen. Da er es nicht für seinen Wahlkampf benötige, solle es der Partei zugute kommen. Ihr Büroleiter Jürgen Schornack habe das Geld in den Tresor gelegt, bevor es im Mai 1995 an CDU-Finanzberater Weyrauch ging.

Schäubles Version dagegen: Schreiber sei einen Tag nach dem Spenderessen morgens bei ihm im Büro gewesen und habe ihm 100.000 Mark überreicht. „Unmittelbar“ danach will Schäuble das Geld an Brigitte Baumeister weitergegeben haben, mit der Anweisung, Schreiber direkt eine Spendenquittung auszustellen.

Baumeister ließ trotz massiver Nachfragen die Frage unbeantwortet, wer entschieden habe, die Schreiber-Spende nicht zu veröffentlichen. Die Angaben ihres ehemaligen Büroleiters, sie habe ihn entsprechend angewiesen, bestreitet sie. „Wer hat denn entschieden, dass das Geld nicht veröffentlicht werden soll?“, bohrt Neumann. Baumann wippt nervös hin und her und versteigt sich zu dem Satz: „Nachdem ich es nicht veröffentlichen durfte, habe ich es auch nicht veröffentlicht.“ Auf Nachhaken sagt sie vage: „Ich meine, das mit Schreiber telefonisch so besprochen zu haben.“

Viele Fragen bleiben: Warum war Baumeister einverstanden, dass das Geld nicht ordentlich verbucht wurde? Warum behielt sie das Kuvert sieben Tage bei sich? Und vor allem: Warum bestand Schreiber darauf, die Summe umständlich über Baumeister zu vermitteln, wo er Schäuble doch sechs Tage später, nach der Wahl, auf der CDU-Wahlparty das Geld persönlich hätte geben können?

Eindeutig rückte bei den Vernehmungen von Schäuble und Baumeister eine andere Figur in den Vordergrund: Helmut Kohl. Schäuble erzählte, er habe sich im Herbst 1997 bei Kohl beklagt, dass Baumeister entgegen seinen Anweisungen Schreiber keine Spendenquittung ausgestellt habe. Kohl habe seinen Ärger geteilt. Baumeister dagegen erinnert sich daran, dass Kohl sie bei einer Bundestagssitzung gezielt auf eine Spende von Schreiber angesprochen habe. Sie habe von den 100.000 Mark erzählt. Wenig später sei Kohl bei Schäuble ins Büro gestürmt. Schäuble habe sie daraufhin zu Hause angerufen und sehr ungehalten erklärt: „Der Dicke war da.“

Wer lügt? Wer sagt die Wahrheit? Es wird sich zeigen, ob eine Gegenüberstellung von Schäuble und Baumeister hilft, dies zu erkunden.